Haftpflicht/Rechtsschutz

Haftpflichtversicherung

Nach der Hartmarktphase stehen die Zeichen auf Entspannung.

Marktsituation und Rückblick

Verantwortlich für den verhärteten Markt waren diverse negative Faktoren, insbesondere die kritische Schadenentwicklung in der Haftpflichtsparte (besonders in den USA), aber auch andere politische, gesellschaftliche und wirtschaftliche Entwicklungen: Der Ukrainekrieg und die damit zusammenhängende Energiekrise sowie die Inflation als auch der Klimawandel waren die vorrangigen Treiber. Dies machte sich in steigenden Prämien, sinkenden Kapazitäten und weniger Flexibilität im Underwriting bemerkbar. 

 

Marktentwicklung 2024/2025

Aktuell ist dagegen eine Marktberuhigung erkennbar. Die Prämien haben sich stabilisiert, allerdings auf hohem Niveau. Die Versicherer scheinen die gewünschten Kapazitätsreduzierungen zur Risiko-Diversifizierung ganz überwiegend abgeschlossen zu haben. Hintergrund hierfür dürfte die Tatsache sein, dass die Schaden-Kosten-Quote (Combined Ratio) der meisten Industrie-Versicherer sich in den vergangenen Jahren deutlich verbessert hat und überwiegend wieder (teils deutlich) unter 100 Prozent liegt. Hinzu kommt die Zinsentwicklung, die den Versicherern inzwischen spürbare Gewinne aus Finanzanlagen einbringt. Auch die Munich Re sagt aufgrund wieder leicht gesunkener Rückversicherungskosten „stabile Preise“ für das kommende Renewal voraus. 

Viele Versicherer werden nun flexibler bei der Zeichnung neuer Risiken.

Bei Unternehmen, auf die viele Versicherer Risikoappetit haben, wie beispielsweise produzierende Unternehmen im Segment des Upper Middle Market, kann wieder zunehmend Wettbewerb erzeugt werden, sodass hier bei gut verlaufenden Risiken (maßvolle) Prämienreduzierungen umsetzbar erscheinen.

Erkennbar ist, dass die allermeisten Versicherer inzwischen ihr Risiko breiter streuen möchten, also weniger Kapazität für das einzelne Risiko anbieten und die Kapazität bei Großrisiken auf möglichst viele Deckungsstrecken in „kleineren Scheiben“ verteilen („Ventilation“ der Kapazitäten). Trotz dieses geänderten Verhaltens ist aber ausreichend Kapazität im Markt vorhanden, auch durch das Hinzukommen neuer Risikoträger wie beispielsweise der Everest Insurance oder der Sompo International Insurance. Lediglich für die als schadenträchtig eingeschätzten Industrien wie zum Beispiel die Pharma-, Chemie- und Kfz-Zulieferer-Industrie sowie für Unternehmen mit hoher US-Exponierung bleibt die Situation angespannter, besonders bei den industriellen Großrisiken.

Aufgrund der Inflation in den vergangenen Jahren sowie steigender Kosten bei Personenschäden und immer kostspieligeren Schäden in den USA empfehlen wir dringend eine Überprüfung und gegebenenfalls auch Anpassung der aktuellen Deckungssummen. Seit 2020 hat sich der Verbraucherpreisindex in Deutschland um gut 19 Prozent erhöht – ein entsprechendes Ansteigen der Versicherungssummen in der Haftpflicht ist allerdings nicht erkennbar.

Negativ ist, dass einige Versicherer dazu übergehen, bei der Schadenregulierung immer früher Anwaltskanzleien einzubinden. Dabei entsteht oft der Eindruck, dass die vordringliche Aufgabe dieser Kanzleien nicht die Regulierung des Schadens gegenüber dem Anspruchsteller ist, sondern vielmehr die Prüfung der Deckung des Schadens unter dem Versicherungsvertrag. Dies erschwert eine partnerschaftliche Zusammenarbeit von Kunde und Risikoträger. Bereits an dieser Stelle sind häufig langwierige Diskussionen zwischen den Parteien unter Einbeziehung des Brokers notwendig, um die Bearbeitung des Schadens in die richtige Richtung zu lenken. 

Aktuelle Entwicklungen gibt es besonders auf der Haftungsseite, oftmals angestoßen durch neue EU-Initiativen und deren fortschreitende Umsetzung, was wiederum Auswirkungen auf die Haftpflichtdeckungen haben kann. Auch wenn die meisten dieser Entwicklungen bekannt sind und in der Vergangenheit bereits thematisiert wurden, folgt ein Update zum letzten Stand dieser Entwicklungen:

1. Neue EU-Produkthaftungsrichtlinie sowie Regelungen zur KI-Haftung

Am 12. März 2024 hat das EU-Parlament die neue EU-Produkthaftungsrichtlinie zur Stärkung des Verbraucherschutzes verabschiedet. Diese muss nun nach der Veröffentlichung innerhalb von 24 Monaten von den Mitgliedsstaaten in nationales Recht umgesetzt werden. Anschließend gilt sie dann für neu in Verkehr gebrachte Produkte. 

Neben dieser neuen Regelung treten verschiedene Initiativen zum Umgang mit künstlicher Intelligenz (KI) seitens der EU in Kraft, die einen Fokus auf daraus resultierende Haftungsfragen legen. So gibt es den Entwurf einer Richtlinie, welche die Produkthaftungsrichtlinie bezüglich der Haftung für KI-Systeme ergänzt und konkretisiert. Dieser Entwurf befindet sich aktuell im Gesetzgebungsverfahren und wurde noch nicht final verabschiedet. Das Gesetz über künstliche Intelligenz wurde dagegen am 21. Mai 2024 verabschiedet und muss nur noch veröffentlicht werden. Ein Vorschlag der EU zur Regelung der Haftung beim Einsatz von KI wurde aktuell zwar auf „Hold“ gestellt, könnte aber durchaus zukünftig wieder von der EU aufgegriffen werden. 

2. EU-Lieferkettengesetz

Nachdem das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) in Deutschland bereits seit dem 1. Januar 2023 in Kraft ist, hat sich die entsprechende Gesetzgebung zur Richtlinie auf EU-Ebene länger als erwartet hingezogen. Nach heftigen Diskussionen des ursprünglichen Entwurfs wurde am 24. April 2024 eine „entschärfte“ Version in der EU verabschiedet, nicht zuletzt auch auf Betreiben von Deutschland und Italien. Die 

Schwellenwerte zur Anwendbarkeit der Richtlinie wurden auf 1.000 Beschäftigte und 450 Millionen Euro Jahresumsatz erhöht. Die Regelungen zur zivilrechtlichen Haftung wurden ebenso abgeschwächt. Dennoch werden im Umsetzungsverfahren Anpassungen des deutschen LkSG erfolgen müssen, da das EU-Gesetz an einigen Stellen inhaltlich auch in der abgeschwächten Version über das LkSG hinausgeht. 

Insgesamt ist eine klare Tendenz erkennbar, dass die aktuelle EU-Gesetzgebung besonders den Verbraucherschutz stärken soll sowie Themen aus dem Bereich Environment, Social, Governance (ESG) eine besondere Bedeutung beimisst. Hierdurch wurden zahlreiche Gesetzesinitiativen angeschoben, die die zivil- und strafrechtliche Haftung von Unternehmen und deren Organen deutlich verschärfen. Dies wirkt sich im Nachgang auch auf den Versicherungsschutz und die Schadenlast aus. 

3. PFAS

Das Risiko der per- und polyfluorierten Alkylverbindungen (PFAS), auch „Ewigkeitschemikalien“ genannt, ist am Markt bereits seit einigen Jahren bekannt. In der jüngsten Vergangenheit häufen sich diesbezüglich Klageverfahren gegen Hersteller und/oder Verwender dieser Substanzen.

4. US-Schäden

Aktuell gibt es nahezu keine Haftpflicht-Vortragsveranstaltungen und kein Versicherer-Gespräch ohne Diskussion des US-Schadenrisikos. 

Sprach man in den vergangenen Jahren noch über den Anstieg der sogenannten „Nuclear Verdicts“, also Urteilen mit einer Summe in Höhe von über zehn Millionen US-Dollar, so gibt es inzwischen auch die Kategorie der „Thermonuclear Verdicts“, womit Urteile mit Entschädigungssummen über 100 Millionen US-Dollar gemeint sind. Die durchschnittliche Summe stieg innerhalb von drei Jahren auf mehr als das Doppelte, und zwar von 21 Millionen US-Dollar (2020) auf rund 44 Millionen US-Dollar (2023). Insgesamt kam es im letzten Jahr zu 89 Urteilen über zehn Millionen US-Dollar, davon 27 Urteile über 100 Millionen US-Dollar. Ein großer Anteil davon (37 Prozent) betrifft Produkthaftungsfälle. Andere stark betroffene Bereiche sind Personenschäden aus dem Life-Science-Bereich, Schäden im Zusammenhang mit dem Patentrecht sowie Kfz-Haftpflichtschäden, welche nach einer lokalen Grunddeckung in den USA oftmals in die Betriebshaftpflicht-Versicherung laufen.


Diese Entwicklungen wirken sich auch auf deutsche Unternehmen mit hoher US-Exponierung aus, insbesondere mit großen Kfz-Flotten in den USA. Die Deckungssummen der vorangehenden lokalen Kfz-Haftpflichtversicherungen müssen oftmals erhöht werden, da die US-Umbrella-Deckungen dieses Risiko erst nach höheren lokalen Summen von mindestens zwei bis fünf Millionen US-Dollar aufnehmen, was den lokalen Prämienbedarf in der Kfz-Haftpflicht steigen lässt.

 

Fazit 

Die Themen, die den industriellen Haftpflichtmarkt bewegen, haben sich im vergangenen Jahr nicht wesentlich verändert. Positiv hervorzuheben ist die erkennbare Marktberuhigung. Negativ ist das zunehmend unberechenbare Risiko bei Schadenfällen in den USA sowie der Umgang einiger Versicherer mit dem PFAS-Risiko. Viele Gesetzesinitiativen der EU zur Stärkung des Verbraucherschutzes sowie zur Förderung von ESG-Themen werden mittel- bis langfristig Auswirkungen auf die Schadenentwicklung in der Industrie-Haftpflicht haben. 

 

Ihre deas-Lösung

Bei fachlich anspruchsvollen Diskussionen wie beispielsweise bei einem PFAS-Ausschluss können Sie sich auf das umfassende Know-how der deas verlassen. Wir heben Sie in den Gesprächen auf Augenhöhe mit den Versicherern, um negative Auswirkungen so gering wie möglich zu halten. Unflexible Versicherer stellen wir infrage und tauschen sie bei Bedarf aus. Hier bringen wir die Kaufkraft unserer Muttergesellschaft, der Ecclesia Gruppe, des größten deutschen Versicherungsmaklers, zu Ihrem Vorteil ein. Zusätzlich nutzen wir unseren Marktüberblick, um die – aufgrund hoher Deckungsstrecken – immer komplexer werdenden Konsortien bei großen internationalen Programmen zusammenzustellen.
 

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