Übergreifend

Neue Bundesregierung will Wirtschaft ankurbeln

Die deutsche Industrie steht weiter vor massiven Herausforderungen. Nach zwei Rezessionsjahren droht ein weiteres Jahr wirtschaftlicher Stagnation. Führende Wirtschaftsinstitute senkten die Prognose für das Wirtschaftswachstum in Deutschland im April auf 0,1 Prozent. Das Investitionsniveau ist nach Berechnungen der Landesbank Baden-Württemberg mit einer Nettoinvestitionsquote von derzeit 0,3 Prozent ebenfalls sehr niedrig. Klar ist aber auch: Viele Unternehmen wollen in Deutschland investieren, wenn die Rahmenbedingungen und die mittel- beziehungsweise langfristigen Wachstumsperspektiven stimmen.

Vor diesem Hintergrund hat die neue Bundesregierung im Koalitionsvertrag 2025 verschiedene Maßnahmen angekündigt, um insbesondere die strukturellen Probleme der deutschen Wirtschaft zu verbessern und damit Investitionen zu fördern. Hier folgt ein Überblick mit relevanten Themen, Planungen und Zielen.

Deutschlandfonds: Ein staatlich-privater „Deutschlandfonds“, ausgestattet mit bis zu 100 Milliarden Euro soll Finanzierungslücken bei Wachstums- und Investitionskapital schließen, insbesondere für kleine und mittlere Unternehmen und Scale-ups. 

Abschreibung Ausrüstungsgüter: Für die Jahre 2025 bis 2027 möchte die Bundesregierung eine degressive Abschreibung in Höhe von 30 Prozent auf Ausrüstungsinvestitionen einführen. Unternehmen sollen damit Maschinen, Anlagen und digitale Technologien steuerlich abschreiben können.

Senkung der Unternehmenssteuer: Der Körperschaftsteuersatz soll ab 2028 in fünf Schritten von 15 auf 10 Prozent gesenkt werden. 

Senkung der Energiekosten: Strom soll um mindestens 5 Cent pro Kilowattstunde günstiger werden. Dazu ist eine Reduzierung des Netzentgeltes sowie die Senkung der Stromsteuer auf ein europaweites Minimum geplant. Energieintensive Unternehmen sollen von einem Industriestrompreis profitieren.

Bürokratieabbau: Die Bürokratiekosten für die Wirtschaft sollen um 25 Prozent gesenkt werden. Besonders kleine und mittlere Unternehmen sollen von mehr Flexibilität, mehr Digitalisierung und weniger Berichtspflichten profitieren. 


Ökonomen sind zuversichtlich

Wirtschaftsexperten blicken zuversichtlich auf die Ankündigungen im Koalitionsvertrag. Clemens Fuest vom Ifo Institut sagt: „Das ist ein attraktives Gesamtpaket und eine Verbesserung des Status Quo. Es wird interessanter zu investieren.“ Torsten Schmidt vom Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung stimmt dem zu, gibt jedoch zu bedenken, dass man abwarten müsse, was in den nächsten Jahren davon tatsächlich umgesetzt werde. 


Investitionen: Chance zur Sicherung der eigenen Wettbewerbsfähigkeit

Klar ist: Setzt die Bundesregierung ihre Pläne um, kann Deutschland attraktiv für eine Vielzahl von Investitionsfeldern werden. Wegen der beschleunigten Abschreibung und gezielter Förderprogramme werden weitere Investitionen in Digitalisierung und Automatisierungen sinnvoll sein. Zudem bietet der Deutschlandfonds denjenigen Unternehmen attraktive Chancen, die in Forschung, Entwicklung und zukunftsweisende Geschäftsmodelle investieren möchten. Unternehmen, die diese Chancen strategisch nutzen, können gestärkt aus der Krise hervorgehen und ihre Wettbewerbsfähigkeit langfristig sichern. 
 

Investitionsbereitschaft der Unternehmen in Deutschland steigt langsam 

Laut aktueller Umfrage des ifo-Instituts planen mehr Unternehmen in Deutschland für 2025 steigende Investitionen. Fast 30 Prozent der Firmen wollen mehr investieren – ein Anstieg um fünf Prozentpunkte seit November 2024. Gleichzeitig nimmt der Anteil der Unternehmen, die Kürzungen vorsehen, leicht ab (von 31,1 Prozent auf 27,3 Prozent). Dennoch bleiben viele Unternehmen wegen der wirtschaftspolitischen Unsicherheit vorsichtig.

Im verarbeitenden Gewerbe ist der Investitionswille am höchsten, vor allem in der Chemiebranche und bei Automobilherstellern. Zurückhaltender zeigen sich etwa die Hersteller elektrischer Ausrüstung. Auch bei Dienstleistern steigt die Investitionsneigung leicht, während der Handel am pessimistischsten bleibt.

Die Motivation hinter den Investitionen hat sich in den vergangenen Jahren deutlich gewandelt: Statt Kapazitätserweiterung stehen inzwischen Ersatzbeschaffung, Effizienzsteigerung, Digitalisierung und Dekarbonisierung im Fokus. Investitionen in Automatisierung, Forschung, Software und Datenbanken gewinnen weiter an Bedeutung – auch als Reaktion auf den Fachkräftemangel.

Bereits seit dem Jahr 2017 verliert die Kapazitätserweiterung an Relevanz  „Vermutlich getrieben durch den Strukturwandel haben andere Ziele wie etwa die Digitalisierung an Gewicht gewonnen“, erklärt Lara Zarges, Konjunktur-Expertin des ifo-Instituts. 
 


Mit der Pandemie und der Energiekrise ab 2021 haben sich die Prioritäten zusätzlich verschoben: Ersatzbeschaffungen und Maßnahmen zur Effizienzsteigerung rückten deutlich stärker in den Vordergrund. Beide Motive erreichen inzwischen ein Rekordniveau. Lara Zarges: „Gleichzeitig fiel das Motiv der Kapazitätserweiterung im Jahr 2024 auf einen historischen Tiefstand.“

Laut ifo-Umfrage sehen viele Unternehmen im Fachkräftemangel ein zentrales Produktionshemmnis – Investitionen in Automatisierung und Effizienz dürften daher weiter zunehmen. Außerdem haben Investitionen in Forschung und Entwicklung sowie in Software und Datenbanken aufgrund von Digitalisierung und Dekarbonisierung kontinuierlich an Bedeutung gewonnen. Dieser Trend wurde durch die anhaltend hohe wirtschaftspolitische Unsicherheit zuletzt gebremst. Die aktuellen ifo-Investitionserwartungen zeigen jedoch eine leichte Erholung: Besonders im verarbeitenden Gewerbe ist der Anteil der Unternehmen, die für 2025 höhere Ausgaben in diesen Bereichen planen, gegenüber Dezember wieder deutlich gestiegen.

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