Kredit/Finanzierung

WIEDER BLEIBEN FLIEGER AM BODEN...

Die Insolvenzen in der Luftfahrt gehen mit der Germania-Pleite weiter

 

Nach der Pleite von Air Berlin im Jahr 2017 meldet am 4.2.2019 mit der Germania Fluggesellschaft die nächste deutsche Fluglinie Insolvenz an, auch zwei Tochtergesellschaften sind von dem finanziellen Zusammenbruch betroffen.

34 Flieger bleiben mit sofortiger Wirkung am Boden, rund 1.200 Mitarbeiter müssen zum Arbeitsamt, Tausende Flugtickets werden wertlos, viele Urlauber werden kurzfristig ihr Reiseziel nicht erreichen oder von ihrem Urlaubsort zurückfliegen können.

Nur Pauschalurlauber, die über Reisebüros gebucht haben, sind auf der sicheren Seite. Sie kommen über alternative Fluglinien an ihren Zielort bzw. zurück.

Die Umbuchung auf eine andere Fluglinie verursacht mitunter erhebliche Mehrkosten. Diese trägt nicht der Urlauber, sondern der Versicherungsmarkt. Der Urlauber kann den bei der Buchung durch spezialisierte Bürgschaftsversicherer ausgestellten Sicherungsschein ziehen. Der Reiseversicherer übernimmt sämtliche Mehrkosten, die durch eine Insolvenz des Reiseveranstalters, der Fluglinie oder des Hotelbetreibers entstehen.

Trügerisches Wachstum

Für viele Kunden und Reisebüros kam die Insolvenz der Germania überraschend, zumal zu Beginn des letzten Jahres eher positive Nachrichten kursierten. Das Unternehmen war auf Wachstumskurs. So bestellte Germania  im Jahr 2016 noch 25 neue Airbus A 320 Neo mit einer Option auf weitere 15 Maschinen. Und diese Bestellungen waren nicht als reiner Ersatz für die bestehende Flugzeugflotte zu sehen, sondern auch als Erweiterung, um die seit Jahren steigende Nachfrage nach Urlaubsflügen bedienen zu können.

Auch im Firmenkundensegment war das Unternehmen aktiv. So waren Germania-Flugzeuge im Dauereinsatz für den Airbus-Konzern, und zwar als Fluglinie für den Pendelverkehr zwischen dem Werk in Hamburg und der Konzernzentrale im französischen Toulouse. Auch von der Insolvenz der Air Berlin konnte Germania profitieren, 50 Strecken wurden von Air Berlin übernommen. Der Umsatz der Germania-Gruppe stieg daher in den letzten Jahren konstant auf zuletzt über 450 Mio. EUR.

Weshalb dann die kurzfristige Beantragung der Insolvenz in Verbindung mit der sofortigen Einstellung des Geschäftsbetriebs?

Mitte Januar 2019 wurde über Presseberichte bekannt, dass bei Germania ein „kurzfristiger Liquiditätsengpass“ bestehe. Ursächlich seien gestiegene Kerosinpreise und Rückerstattungen aufgrund von Flugverspätungen bzw. -ausfällen. Die Umsetzung einer neuen Finanzierungsstruktur oder ein möglicher Verkauf bzw. Teilverkauf waren die Optionen, das Unternehmen zu retten. Als Folge der sich hinziehenden Verhandlungen konnten die Januar-Gehälter nur verspätet an die Mitarbeiter ausgezahlt werden, Zuliefererrechnungen wurden weiter gestreckt.

Ziel der neuen Finanzierungsstruktur war offensichtlich nicht die reine Sicherung des Geschäftsbetriebs, sondern eine Insolvenz in Eigenverwaltung, um tiefgreifende Probleme in Ruhe lösen zu können und dabei den Flugbetrieb aufrecht zu erhalten. Nachdem es aber Ende Januar zu keiner Einigung mit den potentiellen Geldgebern kam, blieb der Geschäftsführung nur noch der Gang in die Insolvenz. Als Sondersituation in der Luftfahrt gehen im Falle einer Insolvenz und damit einer Einstellung des Flugbetriebs sämtliche Start- und Landerechte verloren. Ergebnis: Germania ist nicht mehr zu retten!

Bonität auf dem Prüfstand

Hätte man die Entwicklung nicht früher erkennen können? Konnten sich zumindest Zulieferer und Reisebüros nicht auf die drohende Insolvenz einstellen? Von Privatpersonen, die Flugtickets online über die Airline direkt buchen, kann eine Prüfung der Bonität gewiss nicht erwartet werden.

Vor allem die Zuliefererunternehmen hätten durch einen Blick in die Bilanzen (Konzern und/oder Einzelbilanzen) oder per Bonitätsprüfung/Monitoring durch Kreditversicherer einen Ausfall verhindern können. Schon die Bilanz 2017 zeigt, dass sich Germania verstärkt durch Vorauszahlungen von Reisebüros (Anstieg der Anzahlungsverbindlichkeiten von 2016 auf 2017 um ca. 65 %) und durch Streckung der Zahlungen an die Zulieferer (Anstieg um ca. 25 %) finanziert hat, während Banken schon ausgestiegen waren. Auch tauchen in der Bilanz viele Sondereffekte auf. So wurden Flugzeuge verkauft, um dem Unternehmen kurzfristig Liquidität zuzuführen. Trotzdem reduzierten sich zum Bilanzstichtag 31.12.2017 die liquiden Mittel deutlich.

Nicht jeder Unternehmer hat die Personalkapazitäten und -qualitäten, seine Geschäftspartner auf Bonität detailliert zu prüfen bzw. zu überwachen. Daher bietet der Versicherungsmarkt über Kreditversicherungen nicht nur die reine Absicherung von Forderungsausfällen. Um Forderungsausfälle zu vermeiden, erfolgt eine qualitativ hochwertige Bonitätsprüfung auf Basis von Bilanzen, Zahlungserfahrungen, Auskunfteien, Banken und weiteren Informationsquellen. Die Summe dieser Daten wird gebündelt und ausgewertet.

 

In der Regel erhält der Versicherungsnehmer keine detaillierte Bonitätsprüfung mit Bilanzkennzahlen und Branchen-Benchmark, sondern lediglich ein Kreditversicherungslimit, das der maximalen Deckungszusage des Kreditversicherers entspricht. Diese Kreditversicherungslimite werden dann je nach Entwicklung des Risikos nach oben oder unten angepasst. Im schlimmsten Fall wird eine Deckung durch die Versicherer komplett abgelehnt. Diese Information würde einem Zulieferer deutlich zeigen, dass eine Rechnungsstellung auf Ziel hoch risikoreich und ein Forderungsausfall sehr wahrscheinlich ist.

Übrigens, im Fall von Germania hätte der „kreditversicherte“ Zulieferer den Ausfall durch Lieferstopp oder Änderung der Zahlungsbedingungen auf Vorauskasse vermeiden können. So informierten die Kreditversicherer ihre Versicherungsnehmer schon im 1. und 2. Quartal 2018 über deutliche bilanzielle Probleme von Germania; die Kreditversicherungslimite wurden größtenteils gestrichen.

 

Haben Sie Fragen zum Thema Kreditversicherung? Ihr Kundenbetreuer oder Ihre Kundenbetreuerin steht Ihnen gerne zur Verfügung.

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