Haftpflicht/Rechtsschutz

Darf mich auch eine Medizinstudentin impfen?

Die Massenimpfung gegen COVID-19 bringt für jeden von uns viele neue Fragen mit sich. Wer haftet beispielsweise, wenn ein Impfschaden auftritt? Oder: Ist es in Ordnung, wenn mir eine Pflegekraft die Impfung verabreicht und nicht eine Ärztin/ein Arzt?

Was ist ein Impfschaden laut Gesetz?

Ein Impfschaden wird im Gesetz (§ 2 Nr. 11 Infektionsschutzgesetz) definiert als die gesundheitliche oder wirtschaftliche Folge einer über das übliche Ausmaß einer Impfreaktion hinausgehenden gesundheitlichen Schädigung durch die Impfung.

 

Was ist der genaue Unterschied zwischen Versorgungsanspruch und zivilrechtlichen Ersatzansprüchen?

Versorgungsansprüche nach IfSG in Verbindung mit dem Bundesversorgungsgesetz gegen den Staat sind sozialrechtliche Ansprüche. Sie umfassen regelmäßig Heilbehandlungskosten, Krankenbehandlungen und Renten, aber keine Schmerzensgeldansprüche. Zivilrechtliche Ersatzansprüche hingegen können den Schadensersatz und ein Schmerzensgeld umfassen.

 

Wie stellt sich die Haftungsfrage von Ärztinnen und Ärzten in einem Impfzentrum dar?

Theoretisch besteht die Möglichkeit, dass ein Arzt/eine Ärztin bei einem Behandlungsfehler für eine Haftung in Anspruch genommen werden kann.

Allerdings gehen die Juristinnen und Juristen unserer Unternehmensgruppe im Heilwesen-Schadenbereich davon aus, dass die COVID-19-Impfung in den von den Ländern oder im Auftrag der Länder nach §6 Abs. 1 S. 2 Coronavirus-Impfverordnung (CoronaImpfV) eingerichteten und betriebenen Impfzentren eine Maßnahme der Gefahrenabwehr und damit eine hoheitliche Aufgabe ist. Denn für eine Impfung bei einem pandemischen Geschehen ist der Bund im Rahmen des Infektionsschutzes zuständig. In den Verantwortungsbereich der Länder wiederum fällt die klassische Gefahrenabwehr. Zur Durchsetzung können die Länder damit auch private Personen beauftragen.

Das spiegelt sich in der Organisation der Impfzentren wider: Der Bund stellt die nationale Impfstrategie auf und den Impfstoff kostenfrei zur Verfügung, die Länder organisieren die Impfzentren, die auch von Dritten betrieben werden können. Daraus schlussfolgern die Heilwesen-Schadenexpertinnen und -experten, dass die Betreiber dabei hoheitlich handeln, deshalb gehe die Haftung im Wege der Amtshaftung an den Staat über.

 

Wie stellt sich die Haftungsfrage dar, wenn niedergelassene Ärztinnen und Ärzte die Impfungen durchführen?

Auch bei der Frage der Haftung der impfenden Arztpraxis erfolgt die Beurteilung nach der Unterscheidung, ob diese dabei eine hoheitliche Tätigkeit ausübt oder ob diese im Rahmen eines privatrechtlichen Behandlungsvertrages erfolgt. Bei der Einordnung als hoheitliche Tätigkeit würden Schadenersatzansprüche über die Grundsätze der Amtshaftung auf den zuständigen Hoheitsträger übergehen. Der niedergelassene Arzt wäre für Ansprüche selbst nicht passiv legitimiert. Wie ist die derzeitige Regelung also auszulegen?

Die Bundesregierung hat die Coronaschutzimpfung durch niedergelassene Arztpraxen in der Verordnung zum Anspruch auf Schutzimpfung gegen das Coronavirus SARS-CoV-2 (Coronavirus-Impfverordnung – CoronaImpfV) in der Fassung vom 10. März 2021 neu geregelt. Nach § 6 Abs. 1 S.1 Nr. 2 CoronaImpfV können Impfungen auch durch beauftragte Arztpraxen vorgenommen werden. Eine Arztpraxis gilt nach § 6 Abs. 1 S.5 CoronaImpfV als beauftragt, wenn dieser der Impfstoff vom Bund oder Land zur Verfügung gestellt wird. Dies ist in der Regel der Fall. Die impfende Arztpraxis handelt damit gleichgestellt zu den Impfzentren nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 und den Betriebsärzten nach Abs. 1 Nr. 3 CoronaImpfV zur Gefahrenabwehr und damit hoheitlich. Deutlich wird dies auch im letzten Satz des § 6 Abs. 1 CoronaImpfV, welcher den Ländern die Verantwortung für die Organisation der Zusammenarbeit der einzelnen Leistungserbringer dieser Verordnung zuerkennt. Dies entspricht klassisch der Organisation anderer hoheitlicher Maßnahmen zur Gefahrenabwehr, bei denen auch die Länder organisatorisch und haftungsrechtlich verantwortlich sind, wie zum Beispiel die Organisation des notärztlichen Rettungsdienstes.  

Soweit die Voraussetzungen des § 60 IFSG erfüllt sind, können parallel zur Amtshaftung bei der Impfung durch beauftragte Arztpraxen auch Versorgungsansprüche gegen den Staat entstehen, wie dies auch bei anderen staatlichen Impfempfehlungen (Masern, Mumps, Röteln) der Fall ist. Wichtig ist aber in diesem Zusammenhang, dass es sich um eine staatlich empfohlene Impfung handeln muss. Problematisch kann dies dort werden, wo ein zugelassener Impfstoff verimpft wird, welcher zum Beispiel für eine bestimmte Altersgruppe nicht durch die Ständige Impfkommission (StiKo) empfohlen wird. Hier besteht die Gefahr, dass staatliche Versorgungsleistungen ausgeschlossen sein können. Die Bundesregierung hat wegen der aktuellen Diskussionen um die Anwendung des AstraZeneca-Vakzins eine Änderung des § 6 IFSG in Aussicht gestellt, wonach klagestellt werden soll, dass bundeseinheitlich alle Impfempfehlungen im Zusammenhang mit Corona-Impfungen staatliche Versorgungsleistungen auslösen sollen. 

 

Muss immer der Arzt/die Ärztin die Impfung durchführen, oder dürfen das auch andere medizinisch ausgebildete Kräfte?

Wenn neben einem Arzt oder einer Ärztin auch noch fachlich geschulte und fähige Hilfskräfte impfen, kann die Zahl der Impfungen in einem begrenzten Zeitrahmen natürlich deutlich gesteigert werden. Rechtlich ist es zulässig, dass ärztliche Tätigkeiten wie eine Impfung durch entsprechend geschulte und nachweislich dazu qualifizierte nichtärztliche Mitarbeitende übernommen werden. Die Injektion selbst können zum Beispiel auch Pflegekräfte oder Medizinische Fachangestellte vornehmen, die entsprechend qualifiziert sind. Sogar Medizinstudierende dürfen selbst den Impfstoff injizieren, sofern sie über einen entsprechenden Ausbildungsstand verfügen. Der Arzt/die Ärztin muss sich aber von dieser Qualifikation überzeugen und sich in unmittelbarer Nähe aufhalten. Denn Schutz und Sicherheit der Patientinnen und Patienten sind bei allem oberster Maßstab; den Patientinnen und Patienten darf kein zusätzliches Risiko entstehen, der Facharztstandard muss immer gewahrt bleiben.

Impfanamnese und Impfaufklärung sind aber nicht delegierbar. Das bleibt der spezifischen Fachkenntnis und Erfahrung des ärztlichen Personals vorbehalten. Hat ein Patient ein besonderes Risiko, sollten die Ärztin oder der Arzt die Impfung gegebenenfalls selbst übernehmen.

 

Bereits im Ruhestand befindliche Ärztinnen und Ärzte unterstützen häufig die Arbeit in den Impfzentren. Wie verhält es sich bei ihrem Einsatz mit der Haftung?

Die Tätigkeit von ärztlichen Ruheständlerinnen und Ruheständlern, die sich bei den Massenimpfungen in Impfzentren engagieren, ist ebenfalls versichert. Bei der Haftung gelten die gleichen Voraussetzungen wie bei medizinischen Kräften, die im Berufsleben stehen. Entscheidend für eine Haftung sei, ob bei der Impfung der ärztlichen Sorgfaltspflicht vollumfänglich nachgekommen wird und die Behandlung dem Facharztstandard entspreche, so die zusammengefasste Meinung unserer Juristinnen und Juristen.

 

Weitergehende Informationen

Die hier aufgeworfenen Fragen und Antworten sollen einen kurzen Überblick über die rechtlichen Grundsätze geben. Bei Bedarf stellen die Ansprechpartnerinnen und Ansprechpartner in unserer Unternehmensgruppe ihren Kunden gern vertiefte Informationen zu den einzelnen Aspekten zur Verfügung. Bei haftungsrechtlichen Einschätzungen kommt es zudem immer auf die konkreten Umstände und damit die Details des Einzelfalles an.  

 

 

 

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