Haftpflicht/Rechtsschutz

Kfz-Rückrufkosten – Versicherungsprämien steigen, Kapazitäten sinken

Sowohl die Zahl der Kfz-Rückrufe als auch die Anzahl der hiervon betroffenen Fahrzeuge nimmt weiter zu. Dadurch steigt der Schadenaufwand und belastet die Ergebnisse der Versicherer. Das merken unsere Kunden bereits, insbesondere die Kfz-Zulieferer. Wo bisher ein einziger Versicherer deren Rückrufkostenrisiken umfassend absicherte, benötigen sie in Zukunft oftmals mehrere Versicherer – und gute Beratung bei diesem komplexen Thema. Jörg Linnert zeichnet die Entwicklung nach.

Die angespannte Schadensituation im Kfz-Bereich wirkt sich immer stärker auf den Markt für Kfz-Rückrufkostenversicherungen aus. Die Versicherer stellen geringere Kapazitäten zur Verfügung und erhöhen die Preise. Ein vom Versicherungsmakler moderierter offener Dialog zwischen dem Kfz-Zulieferer und dem Versicherer über das spezifische Rückruf-Risiko gewinnt damit erheblich an Bedeutung.

 

Entwicklung der Rückrufe

Seit dem Jahr 2013 hat sich die Gesamtsituation im Kfz-Rückrufbereich deutlich verschlechtert. Dies betrifft sowohl die Anzahl der Fahrzeugrückrufe, insbesondere aber auch die Anzahl der im Rahmen eines Rückrufs zurückgerufenen Fahrzeuge. Beide Werte haben sich deutlich erhöht. Das geht aus den Erhebungen des Kraftfahrtbundesamtes und den Zahlen des Internetblogs Kfz-Rueckrufe.de hervor. Grund hierfür ist insbesondere die Plattform- und Baukastenstrategie vieler Hersteller. Infolgedessen betrifft ein einziger Produktmangel immer mehr Modelle und damit auch immer mehr Fahrzeuge. Beispielhaft betrachtet werden hier der „Heimatmarkt“ in Deutschland sowie die USA als extrem wichtiger und großer Markt.

 

Deutschland: Rückrufe verdreifacht

Die Anzahl der PKW-Rückrufe in Deutschland ist von 122 im Jahr 2013 auf 390 Rückrufe im Jahr 2019 angestiegen. Damit hat sie sich mehr als verdreifacht. Auch die Anzahl der betroffenen Fahrzeuge war im Jahr 2019 mit etwa 3,2 Millionen Fahrzeugen fast dreimal so hoch wie im Jahr 2013 mit etwa 1,25 Millionen.

Gemäß Kraftfahrtbundesamt (KBA) wurden 2019 rund 3,6 Millionen PKW neu zugelassen, sodass das Verhältnis der zurückgerufenen zu neuzugelassen Fahrzeugen, die Rückrufquote, bei 88,7 Prozent liegt.1

 

USA: Rückrufquote bei 233 Prozent

Noch deutlich schlechter sieht es auf dem (neben China) größten und wichtigsten Automobilmarkt aus, den USA. Dort lag im ersten Halbjahr 2019 die Rückrufquote bei 233 Prozent. Berücksichtigt man die Anzahl der Neuzulassungen in den USA im Jahr 2019 von rund 17,1 Millionen, so ergibt sich (gleichbleibender Verlauf unterstellt und auf das gesamte Jahr hochgerechnet) eine Anzahl von etwa 40 Millionen zurückgerufener PKW im Jahr 2019.2

 

Deutsche Marken nicht unter den weltweit zehn größten Rückrufen

Die größten Rückrufe in Deutschland betrafen 2019 die BMW 5er- und 6er-Baureihe (273.698 Stück), den BMW 1er, 3er und X1 (148.052 Stück) sowie die Ford-Modelle Galaxy, S-Max und Mondeo (101.319 Stück). Maßstab dabei sind die in deutsche Werkstätten einbestellten Fahrzeuge.

Global gesehen waren deutsche Kfz-Hersteller nicht an den zehn größten Rückrufen des Jahres beteiligt. Spitzenreiter waren die Marken Cadillac, Chevrolet sowie GMC des General-Motors-Konzerns mit insgesamt 3,71 Millionen Stück vor Honda (3,0 Millionen Fahrzeuge) und Toyota (2,52 Millionen). Auffällig ist hierbei, dass sich vier der größten zehn Fälle auf mangelhafte Airbags mit identischem Schadenbild bezogen und insgesamt ca. 7,9 Millionen PKW betrafen.3

 

Auswirkungen auf die Kfz-Rückrufkostenversicherung

Diese Entwicklung hat Auswirkungen auf die Versicherung von Kfz-Rückrufrisiken. Bereits in den vergangenen Jahren war erkennbar, dass der „weiche“ Markt in der Sparte Haftpflicht für Kfz-Zulieferer nicht oder nur eingeschränkt galt. Prämienreduzierungen waren für Kfz-Zulieferer in der Regel nicht zu erzielen. Denn die Schadenentwicklung war oftmals durch Zuliefererteile bedingt.

Die Fertigungstiefe der Kfz-Hersteller ist in den vergangenen Jahren kontinuierlich gesunken, sie liegt schon seit einigen Jahren nur noch bei durchschnittlich etwa 30 Prozent. Rund 70 Prozent des Produkts „Auto“ werden von Zulieferern erstellt. In einzelnen Bereichen verschiebt sich die Quote noch stärker in Richtung Zulieferer. Bei komplizierter Elektronik beträgt sie beispielsweise bis zu 90 Prozent. In anderen Bereichen produzieren die Kfz-Hersteller lieber selber (bei Motoren bis zu 70 Prozent). Im Ergebnis verantworten die Zulieferer aber immer komplexer werdende Systeme, die bei den Herstellern oft nur noch eingebaut werden.

 

Rückruf-Deckungen der Zulieferer stark belastet

Im Falle eines Rückrufs, der in der Regel durch den Hersteller oder die zuständige Behörde erfolgt (in Deutschland das Kraftfahrtbundesamt), nimmt dann der Hersteller den gegebenenfalls verantwortlichen Zulieferer für die ihm entstehenden Kosten des Rückrufs in Regress. Dies führt zu einer steigenden Belastung der Rückrufkosten-Deckungen der Zulieferer.

Hierbei zeigt sich deutlich, dass das Kfz-Rückrufkostenrisiko ein echtes Spätschaden-Risiko ist. Aufgrund der Komplexität dauert die Regulierung oftmals sehr lang. Zwischen erstmaliger Meldung und abschließender Einigung aller beteiligten Parteien liegen häufig mehrere Jahre. So haben sich die seit 2014 festgestellten negativen Entwicklungen bei der Anzahl und der Größe der Rückrufe mit beträchtlichem zeitlichen Verzug erst in den jüngst vergangenen Jahren in der tatsächlichen Belastung der Kfz-Rückrufkostenpolicen niedergeschlagen. Offenbar haben viele Versicherer diesen Aspekt bei der Bildung der Schadenreserven nicht ausreichend berücksichtigt.

 

Versicherer verknappen Kapazitäten für Kfz-Rückruf-Deckungen

Folge dieser massiven Verschlechterung der Schadensituation ist eine merkliche Zurückhaltung nahezu aller Versicherer. Kapazitäten für Kfz-Rückruf werden am Markt deutlich verknappt, viele Versicherer wollen diese Risiken nicht mehr allein zeichnen, weshalb immer häufiger Konsortien mit mehreren Versicherern notwendig werden. Versicherer erwarten von den Kunden ferner eine deutlich höhere Eigentragung. Insbesondere bei den aus Versicherer-Sicht sehr exponierten Tier1-Suppliern wollen sich viele Versicherer geringer exponieren, oft nur noch im höheren Exzedenten-Bereich. Zu beobachten sind auch deutliche Prämiensteigerungen. Diese Folgen treffen dabei nicht nur bereits schadenauffällig gewordene Zulieferer, auch bislang schadenfreie Zulieferer bekommen die Entwicklung zu spüren. Die Kompromissbereitschaft der Versicherer ist deutlich geringer geworden. Sofern sie ihre Vorstellungen nicht durchsetzen können, sind sie bereit, sich von Risiken zu verabschieden, auch von solchen, die bislang gut verlaufen.

 

Versicherungsmakler als Moderatoren gefragt

In dieser schwierigen Situation kommt dem durch den Versicherungsmakler moderierten Dialog zwischen dem Kfz-Zulieferer und dem Versicherer über das spezifische Rückruf-Risiko eine besondere Bedeutung zu. Ein möglichst offener und vertrauensvoller Austausch ist Voraussetzung für die Entwicklung eines optimalen Versicherungskonzeptes, das sowohl die vom Versicherer gebotene Deckungskapazität und -qualität als auch die Selbsttragung des Kunden und die von ihm zu zahlende Versicherungsprämie in Balance bringt.

 

Gerne beraten wir Sie, welche Versicherungslösung ab jetzt sinnvoll ist. Nehmen Sie Kontakt zu uns auf.


Kraftfahrtbundesamt (KBA)/GEPA Prozessautomation, www.pressebox.de/pressemitteilung/gepa-mbh-oberhaching/Kfz-Rueckrufe-Auch-2019-war-wieder-ein-Rekordjahr/boxid/988828; www.Kfz-Rueckrufe.de.

2 Statista 2020 Rückrufquote USA, https://de.statista.com/statistik/daten/studie/1041302/umfrage/anzahl-der-zurueckgerufenen-fahrzeuge-in-den-usa/

kfz-rueckrufe.de

 

 

 

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