Kunst

Kunst und COVID-19 – Rückblick und Ausblick

Als Anfang des Jahres 2020 die ersten Meldungen über eine seltsame Erkrankung in Asien die Runde machten, hätte wohl niemand auch nur im Traum daran gedacht, welche Auswirkungen dies auf nahezu alle Bereiche unseres Lebens, privat und beruflich, haben würde. Auch kulturelle Teile waren und sind massiv betroffen. Überall dort, wo Kunst bisher zum Alltag gehörte, hatten interessierte Besucher „von jetzt auf gleich“ keinen Zugang mehr. Oliver Behrens, Experte für Kunstversicherungen bei der deas Fine Art, gibt einen Einblick in die aktuellen Herausforderungen.

Der Lockdown betraf zuallererst Museen und Ausstellungshäuser, aber auch sämtliche anderen Orte, die dazu genutzt werden, Kunst und Kunstwerke einer möglichst breiten Öffentlichkeit unkompliziert zugänglich zu machen, zum Beispiel Galerien, Kunstvereine, Kirchen, Krankenhäuser oder auch Arztpraxen. Aktuell wurden wichtige Kunstmessen wie die TEFAF, Art Basel und ART COLOGNE vorsichtshalber bereits auf den Herbst 2021 verschoben, und die art KARLSRUHE 2021 wurde gänzlich abgesagt. Bereits 2020 konnten viele internationale Kunstmessen pandemiebedingt nicht stattfinden.

 

Gesundheit und Kunst schützen

Als aufgrund der COVID-19-Pandemie im März vergangenen Jahres die Museen und Ausstellungshäuser in Deutschland erstmalig geschlossen wurden, sahen sich die Verantwortlichen dort einer ganzen Reihe neuer Herausforderungen gegenüber. An erster Stelle ging es darum, die Gesundheit der Mitarbeitenden unter den neuen Gegebenheiten zu gewährleisten. Natürlich musste dann aber auch sichergestellt werden, dass die Kunst weiterhin angemessen geschützt ist.

 

Kunstwerke stranden in Lagern

Insbesondere der internationale Leihverkehr zwischen den Museen kam praktisch von heute auf morgen zum Erliegen. Weltweite Reisebeschränkungen erschwerten die notwendigen Transporte oder verhinderten diese sogar komplett, sodass nicht wenige Kunstwerke strandeten. Sie mussten auf unbestimmte Zeit in Speditions- und Zolllagern eingelagert werden. Ganz zu schweigen von den Exponaten, die gar nicht erst bewegt werden konnten und in einer – wohlgemerkt inzwischen geschlossenen – Ausstellung verbleiben mussten, und zwar länger als es den Eigentümern und Leihgebern lieb war.

 

Risiken aus der Ferne bewerten

Diese Phase stellte auch die Kunstversicherungsbranche vor neue und schwierige Aufgaben. Ganze Transportketten waren komplett gekappt worden, und Kunst musste – ohne dass eine vorherige Risikoeinschätzung möglich war – ad hoc an vorher nicht bekannten Orten weiterversichert werden. Aus der Ferne, das heißt, ohne vor Ort tätig werden zu können, die entsprechende Risikoeinschätzung vorzunehmen, war für die Kunstversicherungsbranche eine Herausforderung, die sie – aus heutiger Sicht – sehr gut gemeistert hat. Die Marktteilnehmer haben durchweg mit Augenmaß und einem Gespür für die jeweilige individuelle Lage agiert. Hier und da wurde es auch innovativ, so konnten zum Beispiel europäische Kuriere, die aufgrund der Bestimmungen nicht reisen durften, das Handling ihrer Objekte in Asien via Livestream verfolgen.

 

Das Kunstkarussell stockt

Die Auswirkungen von COVID-19 auf die nationalen und internationalen Ausstellungsprojekte werden wir auch noch in den kommenden Jahren spüren. Denn der Planungsvorlauf ist in der Regel lang, sodass ein „Umswitchen“ und Verschieben von fest eingeplanten, aber nun abgesagten Ausstellungen nicht so einfach möglich ist. Anders gesagt: Die Kunst – insbesondere die der international sehr gefragten Künstler – ist streng durchgetaktet was Leihperioden und Ruhephasen angeht, sodass man zum Beispiel bei einem Picasso, der aktuell in Berlin gezeigt wird, schon heute weiß, wie er sich in den kommenden zwei Jahren bewegen soll. Dass hierbei nicht viel Spielraum bleibt, zeigt eine geplante Klimt-Ausstellung im Van-Gogh-Museum Amsterdam: Sie wurde direkt um zwei Jahre verschoben und soll nun 2022 stattfinden.

Den Museums- und Ausstellungsbetrieb unter diesen erschwerten Bedingungen weiterzuführen, ist immer noch die größte Herausforderung für die Entscheidungsträger. Dazu kommen die finanziellen Risiken, die sowohl der derzeitige Betrieb auf „Sparflamme“ als auch jeder erneute Lockdown nach sich ziehen, zum Beispiel durch begrenzte Publikumskapazitäten und Wegfall von Sponsorengeldern. In Bezug auf Risiko- und Versicherungsberatung, Versicherungseinkauf und die Betreuung laufender Verträge stehen wir natürlich auch in diesen herausfordernden Zeiten an der Seite unserer Kunden als ihr Interessenvertreter in Versicherungsangelegenheiten.

 

Digital: Kunsthandel ja, Ausstellungen nein

Wie in vielen anderen Bereichen hat die COVID-19-Krise auch auf dem Kunstmarkt die Digitalisierung rasant vorangetrieben. Während digitale Ausstellungen anstelle eines Museumsbesuchs noch die Ausnahme bilden und Zukunftsmusik sind, ist der digitale Kunsthandel weitergewachsen. Die großen Galerien und Auktionshäuser sind hierbei die Vorreiter. Sie bieten ihren Kunden umfangreiche Services bis hin zu digitalen Schau-Räumen. Laut einer Umfrage des Spezialversicherers Hiscox sind 65 Prozent der Befragten davon überzeugt, dass die Auswirkungen der Pandemie auf den Online-Markt sowohl dauerhaft als auch transformativ sein werden. Somit kann man hier davon ausgehen, dass dieses Rad nicht wieder zurückgedreht wird. Hier passt ins Bild, dass am 11. März eine digitale Collage – letztendlich also nur eine Datei – des amerikanischen Künstlers Beeple beim britischen Auktionshaus Christie‘s für knapp 70 Millionen US-Dollar einem Käufer zugeschlagen wurde. Vor welche neuen Herausforderungen dies auch den Kunstversicherungsmarkt stellt, werden wir im Dialog mit den Versicherern beobachten.

 

Aufarbeitung beginnt langsam

Zurzeit sind die Museen unter Einhaltung strenger Auflagen wieder geöffnet. Dass die Menschen – neben allen anderen Lockerungen – auch dies herbeigesehnt haben, zeigt der große Erfolg von jetzt laufenden Ausstellungsprojekten wie „Andy Warhol“ im Museum Ludwig in Köln. Der Andrang für die online zu buchenden Zeitfenster war so groß, dass der Server des Online-Ticketings zeitweise abstürzte.

Welche Auswirkungen die COVID-19-Krise auf die Kunst als solche haben wird, bleibt abzuwarten. Während sich schon vereinzelt kleinere Ausstellungsprojekte wie „Corona Art“ im Kunstforum Wien mit dem Thema auseinandergesetzt haben, wird die große Aufarbeitung der aktuellen Geschehnisse durch die Kunstwelt wohl erst noch erfolgen. Ein guter Gradmesser hierfür wird sicherlich die kommende „documenta fifteen“ im Jahr 2022 in Kassel werden. In ihrem Dunstkreis wird man beobachten und vergleichen können, wie zeitgenössische Künstlerinnen und Künstler weltweit das Thema aufnehmen.

 

Oliver Behrens

oliver.behrens@ecclesia.de

 

Diesen Beitrag teilen