Übergreifend
Analyse der Wahlprogramme: Politische Weichenstellungen in der Wirtschaftskrise
Energiepolitik: Senkung der Kosten im Fokus
Die Senkung der Energiekosten wird von Unternehmen als zentral zur Wiederherstellung ihrer Wettbewerbsfähigkeit betrachtet. Union, SPD, Grüne und FDP streben daher eine Reduzierung der Stromsteuer auf das EU-Minimum von 0,05 Cent pro Kilowattstunde an. Auch die Netzentgelte sollen gesenkt werden. Unterschiedlich sind jedoch die Ansätze bei der Gegenfinanzierung: SPD und Grüne setzen auf einen 100-Milliarden-Euro-Deutschlandfonds, die Union will Einnahmen aus dem CO2-Preis nutzen und setzt auf Preissenkungen infolge eines kostengünstigen Ausbaus oberirdischer Stromleitungen. Auch die FDP setzt auf mehr Marktmechanismen und Ersparnisse in Folge des Abbaus regulatorischer Hemmnisse.
Steuern und Investitionen: Staat vs. Markt
SPD und Grüne setzen insbesondere auf Wachstum infolge einer Investitionsprämie in Höhe von 10 Prozent. Zudem wollen sie einen 100-Milliarden-Euro-Deutschlandfonds einführen, der durch eine Reform der Schuldenbremse und Steuererhöhungen ermöglicht werden soll. Dazu zählt etwa die stärkere Besteuerung von Betriebsvermögen und eine Vermögenssteuer für hohe Einkommen. Union und FDP setzen hingegen auf eine breite Entlastung von Unternehmen durch die Abschaffung des Solidaritätszuschlags und der Senkung der Körperschaftssteuer. Die Union setzt zudem auf mehr private Investitionen und den Abbau von Subventionen. Eine Reform der Schuldenbremse wird zwar bislang abgelehnt, könnte aber in Verhandlungen zur Debatte stehen. Die FDP hingegen setzt konsequent auf Einsparungen im Staatshaushalt und lehnt eine Lockerung der Schuldenbremse strikt ab.
Bürokratieabbau: Weniger Hürden für Unternehmen
Bürokratieabbau bleibt ein wiederkehrendes Thema. Die Union will das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) abschaffen und steuerfreie Überstundenzuschläge einführen. Zudem plant sie „Entrümpelungsgesetze“ und Praxischecks zur Identifizierung überflüssiger Bürokratie. SPD und Grüne fordern ähnliche Bürokratiechecks. Auf nationaler und EU-Ebene möchte die SPD die „Vereinfachung und Digitalisierung von Dokumentations- und Berichtspflichten“ vorantreiben. Die FDP geht weiter und verlangt sogar ein dreijähriges Bürokratiemoratorium, um neue Belastungen für Unternehmen zu verhindern.
Digitalisierung: Klare Strukturen für Fortschritt
Viele Vorschläge sind nicht neu. Union, SPD und FDP setzen auf ein eigenständiges Digitalministerium. Die Union will zudem eine „Datenchancenpolitik“ etablieren und die Anwendung der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) praxisnäher gestalten. Hinzu kommt die bessere Nutzung von Künstlicher Intelligenz. Auch die Grünen wollen Datenschutzbürokratie abbauen, um digitale Geschäftsmodelle zu fördern. Die FDP fordert eine einheitliche Datenschutzaufsicht und klare Regelungen für Datennutzung. Cybersicherheit gilt parteiübergreifend als wichtiger Standortfaktor und soll gestärkt werden.
Gesundheit: Stationäre Versorgung und Digitalisierung als Kernthemen
Wichtig in der nächsten Legislatur wird die Verbesserung der stationären Versorgung. Die Union will einen „kalten Strukturwandel“ verhindern und Fehlsteuerungen vermeiden. Die Krankenhausreform soll entsprechend neu verhandelt werden. Dafür zeigen sich auch die Grünen offen, fordern jedoch eine finanzielle Beteiligung der privaten Krankenversicherungen am Transformationsfonds. In der Digitalisierung des Gesundheitswesens setzt die Union auf die elektronische Patientenakte und die Modernisierung von Arztpraxen. Die Grünen betonen vor allem den Bürokratieabbau, die FDP bleibt hier vage. Die SPD sieht Potenzial in der Nutzung von Telemedizin und Telepharmazie.
Arbeit: Mehr Flexibilisierung und schnelle Anerkennung von Berufsabschlüssen
Die Arbeitsmarktpolitik zeigt klare Differenzen zwischen den Parteien. Union und FDP setzen auf mehr Flexibilisierung aktueller Arbeitsmodelle. Dazu wollen beide eine wöchentliche Höchstarbeitszeit sowie Überstundenzuschläge einführen. SPD und Grüne lehnen solche Reformen ab. Konsens besteht hingegen bei der Beschleunigung der Anerkennung ausländischer Berufsabschlüsse durch eine zentralisierte Bearbeitung. Die Union will darüber hinaus eine digitale Bundesagentur für Einwanderung etablieren.
Soziale Sicherung: Unterschiedliche Konzepte zur Renten- und Gesundheitsfinanzierung
Die Stabilisierung der Renten- und Pflegeversicherungssysteme ist angesichts der demographischen Lage in Deutschland trotz Abwesenheit im Wahlkampf eines der zentralen Themen. In der Rentenpolitik spricht sich die Union klar gegen Kürzungen aus und will langfristig stabile Rentenniveaus sichern. Die Betriebsrente möchten sie insbesondere für KMUs attraktiver machen. SPD und Grüne wollen ebenfalls das allgemeine Rentenniveau beibehalten. Die SPD plant eine stärkere betriebliche Altersvorsorge im Rahmen der Tarifverträge. Die Grünen wollen einen kapitalgedeckten Bürgerfonds einführen, der auch für die betriebliche Altersvorsorge genutzt werden kann. Die FDP setzt hingegen auf eine Aktienrente und möchte die betriebliche Altersvorsorge durch einen größeren Aktienanteil reformieren. Auch bei der Finanzierung des Gesundheitssystems gibt es große Unterschiede. Union und FDP fordern Effizienzsteigerungen und Wettbewerb zwischen Krankenkassen. Die Union setzt zudem auf einen Mix aus betrieblicher Mitfinanzierung, Steuermitteln und Eigenvorsorge. SPD und Grüne dagegen fordern eine einheitliche Bürgerversicherung. Unterschiede gibt es auch bei der Reform der Pflegefinanzierung: Union und FDP setzen auf Diversifizierung und Vorsorge, während Grüne und SPD eine solidarische Pflegeversicherung bevorzugen, wobei die Grünen darüber hinaus eine Reform der Beitragsbemessung und eine Einbeziehung von Kapitaleinnahmen vorschlagen.
Fazit: Klare Unterschiede bei der Bewältigung der Krise
Die Wahlprogramme zeigen klare Unterschiede in einer Vielzahl von Themenfeldern. Während Union und FDP grundsätzlich eher auf Steuererleichterungen und Marktmechanismen setzen, fokussieren sich SPD und Grüne auf schuldenfinanzierte Investitionen und eine stärkere Umverteilung. Zudem setzen sie im Bereich Soziales mehr auf Solidarität. Bei der Wahl am 23. Februar kommt es nun darauf an, welche Mehrheiten es geben wird. Klar ist jedoch: Der Koalitionsvertrag wird ein Kompromissdokument und die wenigsten Forderungen werden vollständig übernommen.