Gebäude/Inventar/Vorräte
Bauen für die Zukunft: Professor für Architektur und Ressourcen im Interview
Welche nachhaltigen Baumaterialien werden in Zukunft verwendet?
Aus der Perspektive der Nachhaltigkeit werden momentan verschiedene Debatten geführt, die in unterschiedliche Richtungen gehen: Die einen fragen, wie wir stärker darauf achten, dass Materialien verwendet werden, die dauerhaft sind. Hier ist die Langlebigkeit ein wichtiges Kriterium. Die andere Seite fokussiert in dieser Debatte, wie wir wegkommen von hoch energieintensiven Materialien hin zu Materialien mit einem niedrigen Primärenergieinhalt. Hierbei handelt es sich häufig um Materialien, auf Basis nachwachsender Rohstoffe, wie zum Beispiel Holz oder Naturbaustoffe. Holz hat noch einen weiteren Vorteil. Dieser Baustoff gehört zu den Materialien, die CO2 senkend wirken. Das sind Materialien, die in der Gewinnung Kohlenstoffdioxid (CO2) einlagern und nicht freisetzen. Im Rahmen der Bereitstellung traditioneller Baustoffe wie Aluminium, Stahl oder auch Beton hingegen wird viel CO2 freigesetzt.
Holz als Baustoff bindet also potenziell viel CO2. Das gilt in unterschiedlicher Weise auch für alle anderen nachwachsenden Baustoffe. Deshalb wird momentan sehr stark auf diesen Bereich gesetzt, weil hier die Chance besteht dem Klimawandel aktiv gegensteuern zu können und CO2 einzulagern.
Die Frage der Baustoffwahl ist zentral für die sogenannte „Bauwende“. Hier spielen insbesondere die nachwachsenden Materialien eine wichtige Rolle. Darüber hinaus gewinnt das Thema des Recyclings, des sogenannten zirkulären Bauens deutlich an Bedeutung. Unter diesem Aspekt erfahren auch traditionelle Baustoffe wie Metalle eine Art „Revival“. Für die Zirkularität gelten Stahl oder auch Aluminium potenziell als sehr geeignete Materialien, auch wenn sie energieintensiv sind.
Die Zirkularität erfordert aber auch neue Wege des Konstruierens. Wir sind heute aufgefordert, Gebäude so zu entwerfen, dass wir schon während des Bauens deren späteren Rückbau antizipieren. Die Rückführbarkeit von Baustoffen muss also beachtet werden. In diesem Bereich wird momentan viel geforscht. Unser Material- und Konstruktionsverständnis im Baubereich wird sich dadurch substanziell verändern. Die Themen Nachhaltigkeit, Zirkularität und CO2-Bindung werden zunehmend im Zusammenhang betrachtet.
Welche Energieträger werden sich durchsetzen?
Die Frage ist sicherlich umfangreich und komplex. Es braucht viele verschiedenen Lösungen, einen Mix aus Energieträgern. Einerseits gibt es Bedarf an auf Biomasse basierten Energieträgern: Das sind zum Beispiel Biogas und Holz. Hinzu kommt die Idee, dass die thermische Verwertung ein Baustein in einer möglichst langen Wertschöpfungskette nachwachsender Rohstoffe ist. Verbrennungsbasierte Biomassenutzung kann vor allem im Gebäudebestand eine Antwort in Richtung erneuerbarer Energien sein, vor allem dann, wenn der Bestand nur bedingt energetisch zu ertüchtigen ist.
Daneben erfährt der Energieträger Strom via Photovoltaik und Windkraft eine zentrale Bedeutung, nachdem er lange Zeit durch Atomkraft oder Kohle eher negativ besetzt war. Strom wird zunehmend zum erneuerbaren Energieträger, weil Wind- und PV-Anlagen sehr gut eingebunden werden können. Hinzu kommt der noch weiter zu entwickelnde Energieträger Wasserstoff. Einige Länder setzen auch auf ein Revival des Atomstroms. In Deutschland ist das aktuell kaum ein Thema.
Es ist zudem erkennbar, dass es einen Wechsel von zentralen großmaßstäblichen Technologien hin zu dezentralen, vernetzten, multimodalen Lösungen gibt. Wir erkennen einen Wettbewerb der Systeme, die einen setzen auf Strom, die anderen auf Wasserstoff, die dritten auf Atomstrom und die vierten auf Biomasse. Ich würde immer die Frage stellen: Was ist der jeweils passende Energieträger für das Projekt und in der konkreten Situation?
Wie kann durch eine nachhaltige Bauweise den extremen Wetterbedingungen begegnet werden?
Das müssen wir komplexer betrachten. Was kreiert zum Beispiel Klimaextreme? Wo ist der Baubereich selbst schuld? Wo kann er einen Beitrag leisten?
Der Baubereich ist in großen Teilen selbst „Problem-Produzierer“, da Bauen in der Regel sehr ressourcenintensiv ist. An vielen Stellen wird noch nicht klug genug geplant. So wird zum Beispiel immer noch in Hochwassergebieten gebaut. Wenn wir aber darüber nachdenken, dass wir unsere Gebäude an die Bedingungen anpassen müssen, dann gibt es dafür Ideen, zum Beispiel Bautypologien, die sich vom Boden lösen, aufgeständert sind oder vielleicht sogar schwimmen können.
Das heißt, unser Bauen wird sich verändern. Die Debatte fokussiert Prinzipien der Suffizienz, der Effizienz und der Resilienz. Ich denke, das Thema des Robusten, das aktuell vermehrt debattiert wird, ist relevant. Aber dies ist keine unmittelbare Antwort auf die sich verstärkenden Wetterbedingungen. Wir sehen aber eine Umkehr. Unser Verständnis, wo und wie wir bauen und wie wir unsere Gebäude betreiben ist im Wandel. Aber die Antwort ist komplex und vielfältig und wahrscheinlich auch nicht immer eindeutig. Es sollte einen Wettbewerb der besten Ideen geben. Vielleicht ist an dieser Stelle Diversität eine gute Strategie, um viele Antworten auf eine komplexe Herausforderung zu finden.
Wie sieht die Zukunft des Wohnens und Arbeitens aus? Wird es weniger Bürogebäude und vermehrt eine Mischnutzung geben?
Auf jeden Fall wird es zunehmend hybridere Häuser geben. Diese können als Bürogebäude genutzt werden, aber auch eine Umnutzung zum Wohnen oder zum Lernen ist denkbar. Es gibt auch viele Büros in ehemaligen Wohnungen und es gibt gute Wohnungen in ehemaligen Bürogebäuden. Es geht um die Robustheit, dass Häuser für vieles genutzt werden können und dass sie nicht mehr so spezifisch und funktional eindimensional gedacht werden. Ich begleite zum Beispiel ein Projekt, bei dem ein ehemaliges Möbelhaus in ein Schulhaus umgebaut wurde. Vielfach steckt in der Wandlung der Nutzung ein großes, immer wieder neu nutzbares Potenzial.
Welches Potenzial sehen Sie bei älteren Gebäuden?
Das Potenzial von alten Gebäuden ist, dass sie eine Geschichte in sich tragen. Das ist ein interessantes und wichtiges Phänomen. Das „Weiter-Bauen“ und „Um-Bauen“ unterscheidet sich deutlich vom „Neu-Bauen“. Neue Gebäude bringen im besten Falle „das Neue“ in die Welt und bilden neue Bedarfe sowie neue Vorstellungen von Raum ab. Wir haben aber sehr viel Gebäudebestand und es kann viel klüger sein, diesen weiter zu nutzen und sich Gedanken zu machen, wie das, was wir haben, weiterhin verwendet werden kann. Aber manchmal ist es nötig oder sinnvoll, Gebäude zu entfernen, zum Beispiel, wenn statische Systeme versagen oder Schadstoffe verwendet wurden, die nicht rückführbar sind.
Auf der anderen Seite ist es so, dass neu bauen auf das potenziell „Neue“ setzt. Wenn wir Gebäude errichten, die nicht radikal besser sind als das, was wir schon im Bestand vorfinden, sollten wir uns vom Neubau abwenden und uns dem Bestand zuwenden und diesen bereichern und verbessern.
Wie und von wem können sich Unternehmen umfassend beraten lassen, um künftig noch gezielter auf erneuerbare Energien zu setzen, wenn sie ihre Gebäude modernisieren oder neu bauen lassen?
Eigentümern und Betreibern – insbesondere von größeren Gebäudekomplexen empfehle ich, Partner an der Seite zu haben, die sie beim Bauen, beim Umbauen und in der Unterhaltung begleiten. Dies sollten sinnvollerweise Expertinnen und Experten für Raum, Ressourcen und Energie sein – idealerweise ein Team, das Nutzung, Raum und Ressourcen konzeptionell, langfristig und mehrdimensional denkt. Darüber hinaus, wenn neue Wege zu denken und Fragestellungen zu bearbeiten sind, können Studienarbeiten oder gezielte Forschungs- oder Entwicklungsaufträge an Hochschulen ein probates Mittel sein. An der Alanus Hochschule kultivieren wir Kooperationen mit verschiedensten Partnern. Wenn Unternehmen junge Ideen und neue Wege im Denken über Raum, Nutzung und Ressourcen suchen, zum Beispiel, wie sie mit einem eher ungeliebten Gebäudebestand umgehen können, leisten Hochschulen, aber auch professionelle Partner einen wichtigen und potenziell wertvollen Innovationsbeitrag.