Übergreifend
Desinfektionsmittel gezielt einsetzen
Desinfektionsmittel haben Konjunktur. Von Januar bis September 2020 produzierten deutsche Unternehmen rund 80 Prozent mehr der keimbekämpfenden Flüssigkeiten als im Jahr zuvor, meldet das Statistikportal destatis. Mittel mit einem Wirkstoffgewicht von 86.500 Tonnen wurden in diesem Zeitraum hergestellt. Die COVID-19-Pandemie trieb natürlich die Nachfrage. Aber wie und wann wird Desinfektionsmittel sinnvoll angewendet? Das ist eine Frage für Martin Meilwes.
Die richtige Desinfektion ist seit vielen Jahren eines der Kernthemen für den Risikoberater der GRB Gesellschaft für Risikoberatung (GRB), einem Schwesterunternehmen der deas in der Ecclesia Gruppe. Martin Meilwes berät große Kliniken zur Fortentwicklung ihres Hygienemanagements.
30 Sekunden für die Gesundheit
„Die richtige Hygiene fängt beim Händewaschen an; das ist das A und O“, betont Martin Meilwes. Denn beim ordnungsgemäßen Einseifen der Hände von allen Seiten und über eine Zeit von 20 bis 30 Sekunden werden nicht nur Verschmutzungen gelöst, die anschließend mit dem Wasser abgespült werden, es geht auch krankheitserregenden Viren und Bakterien an den Kragen. Das COVID-19 auslösende Virus SARS-CoV-2 beispielsweise hat wie andere Keime auch eine Hülle aus einer Fettschicht (sogenannte Lipide), die von der Seife aufgelöst wird. Damit wird das Virus unschädlich gemacht. „Richtiges Händewaschen reicht zur Hygiene aus und ist im normalen Alltag der Desinfektion vorzuziehen“, sagt der Experte. Denn Desinfektionsmittel für die Haut haben zwar hautpflegende Bestandteile, aber es handelt sich dennoch um Stoffe, die bei ständiger Anwendung zu Schäden an der Haut führen können und letztlich auch nicht dafür gedacht sind, Verschmutzungen zu beseitigen.
Gleichwohl gibt es natürlich Bereiche, in denen das Hygienebedürfnis größer ist oder so viele Menschen verkehren, dass man auf „Nummer sicher“ gehen will. Außerdem ist Händewaschen auch nicht immer möglich – man denke nur an den Besuch eines Geschäfts oder eines Restaurants, in dem schlechterdings nicht direkt am Eingang Waschbecken aufgestellt werden können. Hier ist die Haut- oder Handdesinfektion die pragmatische und sichere Lösung – vorausgesetzt, die Nutzerinnen und Nutzer halten die Einwirkzeit ein. Martin Meilwes: „Rund 30 Sekunden sollte das Mittel auf alle Teile der Hände einwirken können, am besten so lange, bis es von selbst abtrocknet. Wer also erst desinfiziert und dann die Hände wäscht, erreicht damit keinen zusätzlichen Effekt.“
Flächendesinfektion: Auf Herstellervorgaben achten
Was für die Handhygiene gilt, gilt auch für die Sauberkeit von Flächen und Gegenständen: „In einer normalen Arbeitsumgebung ist laut Robert-Koch-Institut die Reinigung der Flächendesinfektion vorzuziehen“, berichtet Martin Meilwes.
Aber: Einige Orte werden von vielen Menschen aufgesucht, zum Beispiel die Toilettenanlagen. Verschiedene Gegenstände – Handläufe, Türklinken und anderes mehr - werden von zahlreichen Menschen angefasst. Eine desinfizierende Reinigung kann hier angebracht sein, um die Sauberkeit zu erhöhen und gleichzeitig dem durch die COVID-19-Pandemie gesteigerten Schutzbedürfnis nachzukommen. Dabei rät Martin Meilwes zum Maßhalten: „Es ist wichtig, Flächendesinfektionsmittel genau nach Vorgabe des Herstellers anzuwenden; es kommt vor allem auf die richtige Verdünnung an.“ Das Motto „Viel hilft viel“ sei in diesem Zusammenhang völlig fehl am Platze. Zu viel scharfe Desinfektionsflüssigkeit greife möglicherweise die zu reinigende Oberfläche an und könne damit sogar zu hygienischen Nachteilen führen, weil sich in porösen, unebenen Oberflächen schneller Keime festsetzten.
In jedem Fall empfiehlt der Risiko-Berater, eine Wischdesinfektion vorzunehmen. Allein das Desinfektionsmittel aufzusprühen, sei nicht ausreichend. Erst durch das Wischen könnten Sekrete, die Keime in sich tragen, sicher entfernt werden. Dass dabei wie beim gesamten Umgang mit Flächendesinfektionsmitteln Schutzhandschuhe und je nach Herstellervorgaben auch eine Schutzbrille getragen werden müssen, verstehe sich von selbst. „Flächendesinfektionsmittel sind nicht hautverträglich, sondern sehr aggressive Reinigungsmittel“, erläutert Martin Meilwes. Haut- oder Handdesinfektionsmittel bestehen im Gegensatz dazu aus einer anderen chemischen Zusammensetzung, die zumeist auf einer Alkoholbasis aufgebaut ist und rückfettende Substanzen enthält. Martin Meilwes: „Diese Zusammensetzung sorgt dafür, dass bei der Benutzung schnell eine erhebliche Keimreduktion möglich ist und gleichzeitig die Haut geschont wird.“
Dosierter Einsatz der Mittel hilft Geldbeutel, Umwelt und Gesundheit
Unterm Strich rät Martin Meilwes zu einer gezielten Nutzung von Desinfektionsmitteln und weiß sich dabei mit den Hygieneexperten einig, die beim Robert-Koch-Institut oder der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung tätig sind. Denn dann seien Desinfektionsmittel sowohl ökonomisch als auch ökologisch richtig eingesetzt und erfüllten dennoch ihre Schutzwirkung.