Haftpflicht/Rechtsschutz
Ein Muss für die Nahrungsmittelindustrie
Öffentliche Produktrückrufe und Nahrungsmittelrücknahmen haben in den vergangenen Jahren deutlich zugenommen. Auf einschlägigen Websites (Links siehe unten) kann täglich verfolgt werden, welche Nahrungsmittel derzeit dem geforderten Sicherheitsstandard nicht gerecht werden.
- European Commission
http://ec.europa.eu/food/food/rapidalert
- Bundesinstitut für Lebensmittelsicherheit
http://www.bfr.bund.de
- Bund für Lebensmittelrecht und Lebensmittelkunde
http://www.bll.de
- Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit
http://www.lebensmittelwarnung.de
- private Organisationen
http://www.greenpeace.de
http://www.produktrueckrufe.de
http://www.rueckrufaktion.net
Primäres Ziel des Gesetzgebers ist es, den Verbraucher zu schützen. Es ist daher gesetzlich festgelegt, wann die Nahrungsmittelindustrie einen Produktrückruf bzw. eine Produktrücknahme in die Wege leiten muss. Eine solche Anspruchsgrundlage ist beispielsweise gegeben, wenn
- eine Gesundheitsgefahr (Gefahr für Leib und Leben) von dem Produkt ausgeht;
- das Produkt ungeeignet zum Verzehr ist;
- das Produkt ekelerregend ist;
- das Produkt eine irreführende Kennzeichnung aufweist.
Versicherungsschutz für Produktrückrufe
Die Versicherungswirtschaft hat das Risikopotenzial erkannt und bietet individuelle Versicherungslösungen für die Nahrungsmittelindustrie an. Zu unterscheiden sind Produktrückrufkostenversicherung und Produktschutzversicherung.
Produktrückrufkostenversicherung
Erstere hat sich in den Reihen der Nahrungsmittelindustrie inzwischen durchgesetzt. Die Produktrückrufkostenversicherung hilft bei Kosten, die für Personenschäden durch ein Produkt (Gefahr für Leib und Leben) anfallen. Die versicherten Kostentatbestände beinhalten u. a.
- die Benachrichtigung bzw. Warnung der Verbraucher, Händler und Vertragspartner,
- die Vorsortierung, den Rücktransport sowie die Überprüfung und Zwischenlagerung der Produkte,
- die Beseitigung und Vernichtung der Produkte sowie
- die Abwehr unberechtigt veranlasster Rückrufe Dritter.
Versicherungsnehmer sollten allerdings wissen: Für einen bedarfsgerechten Risikotransfer reicht eine Produktrückrufkostenversicherung nicht aus. Die Deckung ist vielmehr als Basis- bzw. Grundschutz anzusehen.
Schon allein aus dem Wortlaut der Versicherungsfall-Definition lässt sich ableiten, dass die Rückrufmöglichkeiten von Behörden über die Rückrufdeckung nicht vollständig abgesichert sind. Versicherungsschutz besteht nur, wenn von dem betreffenden Erzeugnis eine Gefahr für Leib und Leben ausgeht. Andere Kriterien, die von Gesetzes wegen einen Rückruf einleiten, sind nicht abgedeckt; z. B. wenn ein Produkt „lediglich“ nicht zum Verzehr geeignet oder ekelerregend ist.
Produktschutzversicherung
Obwohl durchaus Bedarf da wäre, wird die Produktschutzversicherung nicht sehr häufig nachgefragt. Von den Unternehmen der Nahrungsmittelindustrie haben lediglich etwa 10 % eine solche Deckung abgeschlossen.
Gegenüber der Produktrückrufkostenversicherung bietet die Produktschutzversicherung erweiterten Deckungsschutz. Über die o. g. Versicherungsfälle hinaus sind hier z. B. auch Kosten versichert, die der Versicherungsnehmer infolge negativer Medienberichterstattung aufwenden muss.
Deckungsschutz besteht zudem für Eigenschäden im Sinne des Bilanzschutzes sowie für mut- oder böswillig herbeigeführte Vermögensschäden, die dem produzierenden Unternehmen durch Produktmanipulation bzw. Produktsabotage entstehen – ungeachtet, ob lediglich behauptet bzw. angedroht oder tatsächlich passiert.
Da gerade die Nahrungsmittelbranche extrem hohen Qualitätsansprüchen unterliegt, ist nicht davon auszugehen, dass die Anzahl der Produktrückrufe künftig sinkt. Freilich geht Verhindern vor Versichern, doch auch bei größter Vorsicht kann sich kein Unternehmen vor dem Rückrufrisiko vollständig schützen.
Schokohersteller macht mobil
In lebhafter Erinnerung dürfte vielen noch der große „Schokoladenrückruf“ Anfang 2016 geblieben sein, bei dem in über 50 Ländern gleich mehrere bekannte Schokoriegel eines bekannten Süßwarenherstellers aus dem Verkehr gezogen wurden. Rückrufgrund war ein Kunststoffteilchen, das in einem der Produkte gefunden worden war. Berichten zufolge war in einer der Schokoladenfabriken eine Plastikabdeckung in die Maschine geraten.
Hintergrundinfos kann man nachlesen, z. B. unter
- http://www.mars.com/germany/de/press-center/press-list/news-releases.aspx?SiteId=70&Id=7018
- http://www.sueddeutsche.de/leben/mars-snickers-milky-way-plastik-in-der-schokolade-1.2876768
- http://www.welt.de/wirtschaft/article152580294/So-praezisiert-Mars-seine-riesige-Rueckrufaktion.html
- https://www.tagesschau.de/wirtschaft/rueckruf-schokoriegel-103.html
Professionelle Begleitung im Schadenfall
Wird ein Produktrückruf erforderlich, ist dies für das betroffene Unternehmen in der Regel eine Ausnahmesituation, die viele Fragen aufwirft, etwa: Was ist bei der Kommunikation mit der Behörde oder dem Vertragspartner zu beachten? Wie geht man mit den Medien oder gar mit Erpressern um? Jeder Schritt will jetzt wohl bedacht sein.
Ist eine Produktschutzversicherung vorhanden, können im Schadenfall branchenerfahrene Krisenberater hinzugezogen werden, die den Versicherungsnehmer – über die klassischen Risikotransfermaßnahmen hinaus – professionell begleiten.
Mehr noch: Ganz im Sinne des o. g. Grundsatzes „Verhindern geht vor Versichern“ übernimmt der Versicherer schon im Vorfeld eines potenziellen Versicherungsfalls Kosten für eine Präventionsberatung bei einem professionellen Krisenexperten.
Maßgeschneiderte Policen
Eine Produktschutzpolice muss auf das jeweilige Unternehmen zugeschnitten sein und seine Besonderheiten bzw. die jeweilige Produktpalette berücksichtigen. Je nach Betriebstätigkeit können beispielsweise Koscher-, Halal- oder auch Bio-Klauseln vereinbart werden.
Neben den Produktspezifikationen sind bei Vertragsabschluss die Vertragsvereinbarungen im In- und Ausland zu prüfen. Um auch hier das Haftungsrisiko auf einen Versicherer zu transferieren, können Einzelhandelspauschalen (Vertragsstrafen) sowie der Bilanzschutz Dritter mitversichert werden.
Gerade Unternehmen, die Produkte in Länder mit einem Common Law-Rechtssystem – z. B. die USA – exportieren oder dort eine Tochtergesellschaft unterhalten, sollten eine entsprechende Strategie erarbeiten, um etwaigen Schadenersatzansprüchen entgegentreten zu können. Neben den USA können hier beispielhaft Australien, Großbritannien und Kanada genannt werden. In diesen Staaten gibt es kein allgemeingültiges kodifiziertes Recht. Rechtsstreitigkeiten werden dort vielmehr im Wege des Richterrechts entschieden, zum Teil unter Berücksichtigung vorangegangener Rechtsprechung.
Diese gesetzliche Situation sowie die in der Regel vertraglich verlängerten Haftungsvereinbarungen, wie etwa bei Verträgen in den USA, bergen für dort aktive Unternehmen ein ungewisses und mitunter existenzbedrohendes Risiko, dem sie ebenfalls mit einer maßgeschneiderten Versicherungspolice begegnen können. Vom (Erst-)Zulieferer bis zum Handel: Viele Kunden unseres Hauses profitieren schon jetzt von passgenauen Produktschutzkonzepten. Gerne erarbeitet Ihr Kundenbetreuerteam auch für Sie eine individuelle Versicherungslösung, die Ihrem Risiko gerecht wird.