Haftpflicht/Rechtsschutz

FOLGE DER COVID-19-PANDEMIE: WIRD DIE EU-MEDIZINPRODUKTEVERORDNUNG VERSCHOBEN?

Am 25. Mai 2017 trat die neue EU-Medizinprodukteverordnung 2017/745 in Kraft. Nach einer dreijährigen Übergangsfrist soll sie am 26. Mai 2020 zur Anwendung kommen. Die EU-Kommission hat jetzt vorgeschlagen, diesen Termin um ein Jahr zu verschieben.

Ergänzung vom 28.04.2020: Das EU-Parlament hat der Verschiebung zugestimmt.

Was bedeutet das für Unternehmen – und für Patienten?

Durch die Verschiebung sollen Lieferengpässe während der COVID-19-Pandemie vermieden werden. Dies auch vor dem Hintergrund, dass nach der neuen Medizinprodukteverordnung – European Union Medical Device Regulation (MDR) – kein Bestandsschutz besteht, das bedeutet: Alle derzeit verkehrsfähigen Medizinprodukte müssten nach den neuen Anforderungen (siehe unten) erneut zertifiziert werden.

 

Der rechtliche Sachstand

Die neue EU Medical Device Regulation soll die beiden derzeit noch geltenden Richtlinien über aktive implantierbare Geräte und über Medizinprodukte per 26. Mai 2020 ersetzen. Zu diesem Termin wird die MDR unmittelbar geltendes Recht in allen EU-Mitgliedsstaaten, eine nationale Umsetzung ist damit grundsätzlich nicht mehr erforderlich. Allerdings ergibt sich in vielen bestehenden nationalen Gesetzen Anpassungsbedarf, um Konformität zur MDR zu gewährleisten. In Deutschland hat das Bundesministerium für Gesundheit 2019 dementsprechend den Entwurf eines Gesetzes zur Anpassung des Medizinprodukterechts an die Verordnung (EU) 2017/745 vorgelegt.

 

Hintergrund

Die neue EU-Verordnung sieht vor allem erhöhte Anforderungen an das Inverkehrbringen und die Überwachung von Medizinprodukten in den Ländern der Europäischen Union vor. Ziel ist die Erhöhung der Patientensicherheit. Auslöser hierfür war unter anderem der PIP-Skandal im Jahr 2010. Damals hatte ein Hersteller für Brustimplantate statt hochreinen medizinischen Silikons einfaches Industrie-Silikon benutzt, was zu dramatischen Personenschäden geführt hatte.

 

Wesentliche Änderungen des MDR

  • Die Anforderungen an den Inhalt der technischen Dokumentationen bei der Einführung neuer Medizinprodukte wurden stark erhöht.
  • Es gibt umfangreiche Vorgaben zur Post-Market-Surveillance, also der Überwachung nach Inverkehrbringen. Dazu gehören ein Plan zur Überwachung und regelmäßige Sicherheitsberichte.
  • Die Vorgaben zur klinischen Prüfung sind detaillierter.
  • Die Anforderungen an Produkte mit Gefahrstoffen (zum Beispiel krebserregende Stoffe) wurden erhöht.
  • Ebenso sind die Anforderungen an die Etikettierung von Medizinprodukten höher.
  • Jedes Produkt benötigt eine eindeutige Produktidentifizierungsnummer (Unique Device Identification, UDI).
  • Produkte mit hohem Risiko müssen ein zusätzliches Kontrollverfahren durch eine Expertenkommission durchlaufen („Scrutiny“-Verfahren).
  • Die Klassifizierung diverser Produkte (Implantate, Apps usw.) wurde verschärft.
  • Auf Apotheken kommt ein erhöhter Aufwand beim Umpacken und bei Stichprobenkontrollen zu.
  • Benannte Stellen werden EU-einheitlich auf Basis verschärfter Anforderungen benannt und überwacht.
  • Für das erstmalige Inverkehrbringen eines Produkts ist ein MDR-Zertifikat durch benannte Stellen notwendig.
  • Die Wiederaufbereitung von Einmalprodukten unterliegt höheren Anforderungen.
  • Die Dokumentation muss zehn Jahre, also doppelt so lange wie bisher, aufbewahrt werden.
  • Medizintechnik-Hersteller sind verpflichtet, mindestens eine qualifizierte Person im Unternehmen zu benennen, die dafür zuständig ist, dass die Anforderungen der neuen Medizinprodukteverordnung erfüllt werden.

 

Folgen der Neuregelung

Die praktische Umsetzung der neuen Vorgaben wird sowohl Hersteller als auch benannte Stellen und zuständige Behörden vor erhebliche Herausforderungen stellen. Die Kosten des Inverkehrbringens von Medizinprodukten werden deutlich steigen, die derzeitige Anzahl und Kapazität benannter Stellen wird wegen des umfangreichen Verfahrens nicht ausreichen.

Eine Konsolidierung im Markt ist nicht auszuschließen. Insbesondere kleinere Unternehmen können sich den höheren Aufwand möglicherweise nicht leisten, es besteht die Gefahr, dass diese vom Markt gedrängt werden. Notwendige Produkte könnten im Markt nicht mehr verfügbar sein und das ursprüngliche Ziel der neuen Verordnung, die Patientensicherheit zu erhöhen, könnte verfehlt beziehungsweise sogar ins Gegenteil verkehrt werden.

In Anbetracht der Folgen dürfte der Markt über eine Verschiebung der MDR erfreut sein. Dies wäre ein wichtiges Signal für die Patientenversorgung und die MedTech-Unternehmen in Zeiten der Corona-Krise. Oberste Priorität hat gerade jetzt, dass alle notwendigen Produkte für die medizinische Versorgung der Bevölkerung in ausreichender Menge zur Verfügung stehen und Hinderungsgründe beseitigt werden. Monatelange Prüfverfahren müssen in derartigen Krisen so weit wie möglich verkürzt oder ganz vermieden werden. 

 

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