Übergreifend
Klimawandel und Stürme – vorher nachdenken
Wer in Zusammenhängen denken kann, ist einen Schritt weiter. Im Mai 2021 wird das jährliche Treffen der Mächtigen – das Weltwirtschaftsforum (WEF) – nicht in Davos, sondern in Singapur stattfinden. Die COVID-19-Krise sorgt für Veränderung auch beim Wirtschaftsgipfel. Das Jahrestreffen des WEF hat einen Ausweichort auf der anderen Seite der Erdkugel gewählt, weil es den Organisatoren dort sicherer erscheint als in den Schweizer Bergen. Singapur hat eine relativ geringere COVID-19-Ansteckungsrate.
Beim Weltwirtschaftsforum treffen sich seit Anfang der 1970er Jahre Expertinnen und Experten, Managerinnen, Manager, Politikerinnen und Politiker, um neben dem Thema Wirtschaft die geopolitische Lage zu diskutieren. Oft genug geht es dabei um Risiken, die die Menschheit bedrohen. Sie ergeben sich beispielsweise aus dem globalen Klimawandel. Motto des Forums 2021 ist „The Great Reset“ – der große Neustart.
In unseren Breitengraden kennen wir die Stürme oder Wassermassen wie in Asien oder New Orleans nicht. Gibt es trotzdem etwas zu tun?
Obwohl es Wetterextreme wie Hitzewellen, Dürreperioden, Überschwemmungen oder Stürme in der Weltgeschichte schon immer gegeben hat und einige hochrangige Staatsmänner nicht sofort unterschreiben wollen, dass es eine Klimakrise gibt, lässt sich die Wissenschaft nicht beirren: Das Klima wandelt sich. Die Anzahl von extremen Wetterereignissen hat sich seit den Anfängen der 1990er Jahre fast verdoppelt.
Fakten-Check: Der Global Report on Food Crises gibt an, dass sich vor drei Jahren etwa 39 Millionen Menschen in 23 Ländern aufgrund von Klimaereignissen nicht mehr ausreichend ernähren konnten. Die Münchner Rück, einer der weltweit führenden Rückversicherer, registrierte eine Verdoppelung der durch Stürme verursachten Naturkatastrophen seit 1980.
Wer diese Zeilen liest, wird sich womöglich auch an einige „Einschläge“ in unseren Breiten erinnern: Weihnachten 1999 fegte Orkan „Lothar“ über Frankreich und raste weiter nach Süddeutschland, schlug große Schneisen in den Wald. Im Frühling 2006 kippte ein Tornado in Hamburg zwei Kräne um. Orkan „Kyrill“ sorgte 2007 deutschlandweit für früheren Dienstschluss in Firmen und Behörden, die Bahn stellte in weiten Teilen des Landes ihren Verkehr ein. Wann wurde die Bevölkerung jenseits von COVID-19 jemals aufgefordert, sich in geschlossenen Räumen aufzuhalten? Als „Kyrill“ tobte. Die USA traf es hart, als 80 Prozent der Stadt New Orleans überflutet wurden.
Der Gesamtverband der Deutschen Versicherer (GDV) bilanzierte für 2017 eine Schadensumme durch Stürme von 2,6 Milliarden Euro, im Jahr zuvor waren es noch 1,6 Milliarden Euro gewesen. 2019 ging die Schadensumme durch Stürme zwar wieder auf 1,8 Milliarden Euro zurück, dennoch verbuchte der GDV das Jahr in seinem „Naturgefahrenreport 2020“ als „Jahr der Extreme“. Denn das Wetter zeigte sich genauso: heftige Schneefälle zu Beginn, schwere Stürme und Überschwemmungen, dann Dürre, örtlich heftige Unwetter. „Wieder viel zu heiß“ überschrieb der GDV lakonisch seinen Klimarückblick für 2019. Weltweit schlug das Jahr 2020 auch wieder neue Rekorde. „Die Naturkatastrophenschäden des Jahres 2020 lagen deutlich über denen des Vorjahres. Rekorde bei relevanten Gefährdungen machen nachdenklich. Ob die besonders heftige Hurrikansaison, extreme Waldbrände oder Gewitterserien in den USA: Bei all diesen Gefahren wird langfristig der Klimawandel eine zunehmende Rolle spielen“, sagt Torsten Jeworrek, Mitglied des Vorstands der Munich Re, in einer am 7. Januar veröffentlichten Pressemitteilung. Er schließt daraus: „Es ist Zeit zu handeln.“
Die Versicherungsbranche kann an dieser Stelle nur genauer hinschauen und exakte Angebote machen, um einen Schutzschirm aufzubauen. Der sollte bestenfalls vom Otto Normalverbraucher mit Wintergarten bis zum Unternehmen mit Industriehallen reichen. Weil kaum ein Eigentümer von Gebäuden eine große Neigung verspürt, das eigene Dach abgedeckt oder den eigenen Keller in Schlamm und Schmutzwasser versinken zu sehen, gilt die Aufmerksamkeit der Vorbeugung. Schon eine globale Erhöhung der Durchschnittstemperatur von einem Grad kann durchaus große Auswirkungen auf Faktoren haben, die unser Wetter beeinflussen.
Das eine Grad kann niemand vor seiner Haustür verändern. Die Frage, was vor den eigenen vier Wänden zu tun ist, kann sich allerdings jeder stellen. Mittlerweile – „Fridays for Future“ wirkt – ist das Thema „Klima“ auch in den Talkshows angekommen. Die COVID-19-Pandemie hat es zwar in den vergangenen Monaten locker abgelöst, aber dadurch lassen sich Debatten über Hagel und Sturm dauerhaft nicht vermeiden. In den Feuilletons überregionaler Medien wird offen die Frage formuliert: Schlafwandelt die Welt in eine Katastrophe?
Es gibt einen Satelliten, der weltweit Windprofile in unterschiedlichen Höhen messen kann. Es ist der Esa-Satellit „Aeolus“, benannt nach dem griechischen Gott der Winde. Der Satellit wurde vor zwei Jahren in die Erdumlaufbahn geschossen und umkreist die Erde täglich fünfzehn Mal. Aber wer ein Eigenheim, ein Sporthaus oder ein Industriegebäude versicherungstechnisch versorgen muss, tut gut daran, nicht auf Satelliten-Ergebnisse oder den Wetterbericht nach der Tagesschau zu warten, sondern schon jetzt zu handeln. Wer in Zusammenhängen denkt … Sie wissen schon.