Übergreifend

Stark durch den Winter

Acht Fragen an Arbeitsmediziner Ralf Ohlendorf

Besonders im Winter ist es wichtig, das Immunsystem zu stärken und körperlich sowie seelisch fit zu bleiben. Im Interview erläutert Arbeitsmediziner Professor Dr. Ralf Ohlendorf, welchen Einfluss Ernährung, Bewegung und soziale Kontakte auf die Gesundheit haben. Er gibt Tipps, wie wir uns gegen Erkältungen, Grippe und COVID-19 schützen können.

 

Professor Ohlendorf, was empfehlen Sie, um im Winter fit zu bleiben?

Professor Ohlendorf: Ich empfehle, auf verschiedene Bausteine zu setzen – Ernährung, Bewegung und soziale Kontakte. Machen Sie das, was Ihnen Freude bereitet und guttut.

 

Gibt es Lebensmittel, die das Immunsystem stärken?

Professor Ohlendorf: Johanniskraut, Baldrian, Hopfen, Pfefferminz oder Melisse – das sind Kräuter, mit denen Sie Effekte erzielen können und die traditionell verwendet werden. Entzündungshemmend wirken beispielsweise Ingwer und Kamille. Auch Nüsse tragen zu einer gesunden Ernährung bei, besonders Walnüsse – ihre mehrfach ungesättigten Fettsäuren bewirken, dass die Abwehrkräfte in den Zellen aufgebaut werden. Ich selbst esse jeden Tag mindestens einen Apfel. Wer auf eine gemischte Ernährung setzt, der trägt schon viel zur Stärkung der körpereigenen Abwehr bei.

 

Welche Rolle spielen Nahrungsergänzungsmittel?

Professor Ohlendorf: Bei der Einnahme von Nahrungsergänzungsmitteln ist es ratsam, auf die Dosierung zu achten. Die Vitamine A, D, E und K werden im Fettgewerbe gespeichert und können unbemerkt freigesetzt werden. Dies kann nicht gesteuert werden. Ein Überschuss von Vitamin C wird automatisch über die Nieren ausgeschieden. Die Aufnahme von Vitaminen in Form von Tabletten oder Kapseln wirkt schlechter als durch natürliche Produkte, da die Dosierung nicht immer richtig funktioniert. Denn jeder Körper ist anders.

Vitamin D kann vom Körper mithilfe des Sonnenlichtes gebildet werden. Deswegen ist es wichtig, so viel wie möglich draußen zu sein und der Sonne genug Körperoberfläche anzubieten, da das Sonnenlicht über die Haut in den Körper gelangt. Die Aufnahme gelingt aber leider in manchen Regionen nur im Sommer. Über die Nahrung kann nur ein geringer Anteil bezogen werden. Natürlich können Sie Vitamin D auch über Nahrungsergänzungsmittel aufnehmen. Hier ist allerdings Vorsicht geboten – es kann zu einer Überdosierung kommen. Folgen können unter anderem Übelkeit, Kopfschmerzen oder Nierenschäden sein. Niemand weiß, wie viel Vitamin D noch im Körper gespeichert ist. Der Status kann nur über eine Analyse der Blutwerte ermittelt werden.

Anstatt Kapseln zu schlucken, ist es besser, Orangen, Zitronen, Äpfel oder Gemüse zu verzehren. Ich setze auf eine abwechslungsreiche und saisonale Ernährung. Mein Motto ist: Einfach auf ein vernünftiges Verhältnis achten und Lebensmittel wählen, die einem schmecken.

 

Fitnessstudios, Sporthallen und Schwimmbäder sind derzeit aufgrund der COVID-19-Pandemie geschlossen: Welche Sportarten und Bewegungsmöglichkeiten empfehlen Sie?

Professor Ohlendorf: Im Winter eignen sich wintertaugliche Sportmöglichkeiten wie Gerätetraining, Gymnastik und Ausdauersport im Haus oder in der Natur. Sport wirkt entspannend und senkt den Stress. Wer eine hohe Ausdauer hat, tut seinem Herz-Kreislauf-System Gutes und ist psychisch belastbarer. In der Corona-Zeit bieten sich Sportarten an, die zu Hause durchgeführt werden können. Viele mögen Bewegung zur Musik. Wenn der Rhythmus „ins Blut geht“, dann entwickelt sich ein Automatismus in der Bewegung. Mittlerweile gibt es sehr viele Angebote für onlinebasiertes Training. Sie können auch ein Laufband, Rudergerät oder Ergometer nutzen. Machen Sie das, was Ihnen Spaß macht. Ich empfehle ganzjährig das Walken. Das schnelle Gehen ermöglicht gelenkschonende Bewegung und trainiert gleichzeitig die Kondition.

 

Was empfehlen Sie neben dem Ausdauersport?

Professor Ohlendorf: Damit die Muskulatur nicht abbaut, rate ich, ein Gleichgewichts- und Koordinationstraining zu absolvieren. Muskelkraft und Gleichgewichtssinn lassen sich einfach trainieren. Mein Tipp: Stellen Sie sich auf eine dicke, weiche Fläche, zum Beispiel ein Kissen, oder nutzen Sie ein Wackelbrett. Auch im Tagesablauf lassen sich solche Übungen einfach einbauen: Beispielsweise morgens beim Zähneputzen. Stellen Sie sich auf ein Bein und wechseln dieses nach einer kurzen Zeit.

 

Draußen ist es trüb, nass und kalt. Das kann sich auf die Stimmung auswirken. Was lässt sich gegen den Winterblues ausrichten?

Professor Ohlendorf: Dunkelheit ist kein Motivator für die Stimmung. Der Mensch zieht sich in die eigenen vier Wände zurück, besonders in der COVID-19-Zeit. Viele denken darüber nach, wie sie ihr Zuhause hübsch gestalten können. Eine Rolle spielen hierbei Licht und Farbe, Gerüche und Düfte. Dabei sollte die Wandfarbe freundlich und optimistisch sein.

Grundsätzlich ist auch nichts gegen eine Winterpause einzuwenden. Im Sommer sind die Menschen aktiver, im Winter hingegen wird es ruhiger. Dies tut dem Körper gut. Dadurch steigern Sie Ihre seelische Fitness.

 

Wie wichtig sind soziale Kontakte?

Professor Ohlendorf: Soziale und körperliche Kontakte sind für das Immunsystem hilfreich. Diese müssen aber leider während der COVID-19-Pandemie reduziert werden. Ein begrenztes Umfeld ist wichtig, prüfen Sie, wer zuverlässig ist und sich an die aktuellen Spielregeln hält. Nutzen Sie auch technische Möglichkeiten, zum Beispiel Onlinekonferenz-Werkzeuge wie Teams und Zoom, Messenger-Dienste wie WhatsApp oder das Telefon, um mit Verwandten, Bekannten und Freunden ins Gespräch zu kommen.

 

Welche Tipps gibt es darüber hinaus, um das Immunsystem zu stärken und sich vor Erkältungen, COVID-19 oder der Grippe zu schützen?

Professor Ohlendorf: Im Winter und gerade während der derzeitigen COVID-19-Pandemie sollten die AHA-Regeln – Abstand halten, Hygiene beachten und Alltagsmaske tragen – eingehalten und die sozialen Kontakte reduziert werden. Es gilt, das eigene Immunsystem vor harten Gegnern – Viren und Bakterien – zu schützen. Die Einhaltung der derzeitigen Regeln ist grundsätzlich nützlich im Kampf gegen alle Infektionskrankheiten. Empfehlenswert ist, das Immunsystem durch regelmäßige Saunagänge abzuhärten. Eine Studie aus Finnland zeigt, dass ein Saunagang einmal in der Woche nicht nur entspannend wirkt, sondern auch das Immunsystem abhärtet. Da zurzeit der Saunabetrieb nicht möglich ist, empfehle ich, gelegentlich abwechselnd warm und kalt zu duschen. Auch regelmäßig an der frischen Luft zu sein, schützt vor einer Erkältung.

Bleiben Sie gesund!

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