Kredit/Finanzierung

Oft unterschätzt: Wirtschaftliche und politische Risiken im Welthandel

Sind Unternehmen ausreichend vorbereitet? Eine Kurzanalyse am Beispiel Katar

Katar, 2,7 Mio. Einwohner und gerade mal so groß wie Korsika. Eigentlich ist das Emirat auf der arabischen Halbinsel, das als absolute Monarchie regiert wird, viel zu klein, um eine Rolle in der Weltwirtschaft zu spielen. Aber: Der Wüstenstaat gilt aufgrund seiner Öl- und Gasreserven als eines der reichsten Länder der Welt und seine Bürger zählen zu den reichsten Menschen der Welt.

Nach Schätzungen des Internationalen Währungsfonds‘ (IWF) war in Katar das Bruttoinlandsprodukt (BIP) pro Kopf im Jahr 2016 50 % höher als in Deutschland, kaufkraftbereinigt sogar 2,5-mal so hoch (Stand Juni 2017; siehe untenstehende Tabelle).

Rang

Land

BIP pro Kopf in UST (kaufkraft-bereinigt)

Veränderung zum Vorjahr in %

1

Katar

127.659

- 3,26

2

Luxemburg

104.003

3,48

3

Macau

95.151

- 20,81

4

Singapur

87.855

1,89

5

Brunei

76.884

- 0,76

6

Kuwait

71.887

- 0,55

7

Norwegen

69.249

1,72

8

Irland

69.231

26,92

9

Vereinigte Arabische Emirate

67.871

2,02

10

Schweiz

59.561

0,69

11

San Marino

59.058

1,65

12

Hongkong

58.322

2,90

13

Vereinigte Staaten

57.436

2,90

14

Saudi-Arabien

55.158

2,55

15

Niederlande

51.049

2,61

16

Bahrain

50.704

1,93

17

Schweden

49.836

4,20

18

Island

49.136

3,99

19

Australien

48.899

2,14

20

Deutschland

48.111

1,35

 

Investitionen weltweit

Vor dem Hintergrund sinkender Preise verlässt sich Katar allerdings schon seit Jahren nicht mehr allein auf die sprudelnden Ölquellen oder die riesigen Gasvorkommen im Land. Als globaler Investor bereitet sich die Monarchie akribisch auf die nicht fossile Zukunft vor.

In Deutschland beispielsweise gehört Katar zu den wichtigsten und größten Aktionären der Unternehmen Deutsche Bank, Volkswagen und Siemens. Außerhalb Deutschlands hält das Königreich u. a. Beteiligungen an Glencore, Barclays, der Credit Suisse oder dem Londoner Flughafen Heathrow. Daneben ist Katar im Immobiliensektor und in landwirtschaftlich genutzten Flächen investiert.

Das Sovereign Wealth Fund Institute zählt die „Qatar Investment Authority“ (QIA), die Dachgesellschaft für die Beteiligungen Katars, zu den 15 größten Staatsfonds‘ weltweit. Experten taxieren die investierte Summe auf mehr als 330 Mrd. Dollar.

Abgekapselt in der arabischen Welt

Bis vor Kurzem schien der Gedanke, dass dieses reiche Land mit seinen ebenso reichen Bewohnerinnen und Bewohnern in Schwierigkeiten geraten könnte, geradezu abwegig. Mittlerweile aber ist das Wüstenland praktisch komplett von der Außenwelt isoliert und wird wirtschaftlich und politisch als Risiko gesehen.

Wie konnte das passieren? Zum Verhängnis wurde dem monarchistisch regierten Land seine ihm nachgesagte Nähe zum Iran und zum IS. Zahlreiche Nachbarstaaten sprachen deswegen in einer konzertierten Aktion den Bann gegen Katar aus.

Die einzige Landverbindung Katars zu Saudi-Arabien, über die ein nicht unbeträchtlicher Teil der Lebensmittel eingeführt wurde, ist gekappt. Auch Importe über das Wasser oder den Luftweg sind eingeschränkt, weil die benachbarten Länder die Überflugrechte für die katarische Fluglinie und die Seewege für Containerschiffe gesperrt haben.

Die Folge ist, dass im reichen Katar wichtige Lebensmittel knapp werden. Um beispielsweise dem Mangel an Milch zu begegnen, soll ein katarischer Geschäftsmann sogar auf die Idee gekommen sein, rund 4.000 Milchkühe aus Amerika und Australien einfliegen zu lassen (FAZ, 14.06.2017). Ob die Maßnahme umgesetzt wurde, war bei Redaktionsschluss nicht bekannt.

Versiegender Geldsegen?

Noch verfügt Katar über ausreichend Liquidität im Ausland, um offene Rechnungen zu bezahlen. Doch was passiert, wenn die Blockade die Geschäfte mit und in dem Emirat endgültig im Wüstensand verlaufen lässt? Welche Auswirkungen hat es auf die Weltwirtschaft, wenn weder Öl und Gas aus Katar herauskommen, noch Nahrungsmittel und Industriegüter hinein?

Was beispielsweise passiert mit bereits für katarische Unternehmen produzierten Waren, die kurz vor der Auslieferung stehen, wegen der Blockade aber nicht mehr verschickt werden können? Wie wird es den im katarischen Gebäude- oder Anlagenbau tätigen deutschen Unternehmen ergehen, die aufgrund der Situation gezwungen sind, ihre Arbeiten vor Ort zu stoppen, bevor sie fertiggestellt sind? Und was wird aus den Firmensitzen der 64 deutschen Unternehmen in Katars Hauptstadt Doha (Zahlen der Deutschen Handelskammer)?

Das Beispiel Katar zeigt sehr deutlich, wie schnell sich die wirtschaftliche Gemengelage im Weltgefüge ändern kann. Ehemals Vorzeigeökonomie, wurde der reiche Wüstenstaat Katar in kürzester Zeit zum politischen Risiko und droht infolgedessen auch zum wirtschaftlichen Risiko zu werden.

Die ersten Ratingagenturen haben die Kreditwürdigkeit des Emirats zurückgestuft, z. B. S&P im Juni von AA auf AA-. Es ist also nur eine Frage der Zeit, bis die Kreditversicherer ihre Risikoeinschätzung überarbeiten und nach und nach aus den Deckungen aussteigen.

Eventualitäten absichern

Unternehmer sollten – vor allem bei langfristigen Geschäften im Ausland – auf politische und wirtschaftliche Veränderungen vorbereitet sein. Der Kreditversicherungsmarkt bietet zig Möglichkeiten, solche Risiken abzusichern.

Es empfiehlt sich, die Lage bereits im Vorfeld eines Geschäftsabschlusses prüfen zu lassen, um bei Bedarf passenden Versicherungsschutz einkaufen zu können. Dies steht ohnehin außer Frage, wenn die Refinanzierung durch die Banken von einer bestehenden Absicherung der Geschäftsvorgänge abhängt.

Die Spezialisten unserer Gruppe kennen sich bestens aus und beraten individuell. In einem ersten Schritt prüfen sie gemeinsam mit dem Kunden, welche potenziellen Ausfallrisiken in Einzelgeschäften oder auch im gesamten Debitorenportfolio lauern (siehe nachfolgende Tabelle).

Kreditrisiken

Strukturierte Kreditversicherungen (z. B. Absicherung von Bankfinanzierungen)

Politische Risiken

Versicherung von Risiken durch Wegfall der Geschäftsgrundlage (für Handelsgeschäfte)

Versicherung von Verlusten beweglicher Anlagegüter wegen staatlicher Konfiszierung

Investitionsrisikenversicherung (Absicherung der Risiken des Eigenkapital- und Fremdkapitalgebers)

Sicherheitsrisiken

Absicherung von Ausfällen durch politische Gewalt (inkl. Terrorismus, Krieg, Bürgerkrieg o. ä.)

Quelle: deas Deutsche Assekuranz-Makler GmbH

 

Im Fokus steht nicht nur das wirtschaftliche Risiko des einzelnen Zielunternehmens. In die Risikoanalyse fließt auch das Länderrisiko mit ein, heißt: die politische und wirtschaftliche Entwicklung des jeweiligen Landes. Dabei nutzen die Experten unserer Gruppe unterschiedliche Datenbanken, z. B. die World Risk Review, ein unabhängiges Analysetool zur Bewertung von Länderrisiken, das stets auf dem neuesten Stand gehalten wird.

Dass die Ereignisse in Katar sich nicht sofort auf die Rating-Klassifizierung im World Risk Review auswirkten, dürfte dem Umstand geschuldet sein, dass sie doch sehr überraschend kamen. Anfang Juni stand der Wüstenstaat zwar bereits auf der Watchlist, die tatsächliche Einstufung als Risikoland erfolgte aber erst vor Kurzem. Eine deutliche Verschlechterung der Ratings – besonders in den Kategorien „Ökonomisches Länderrisiko“ (bislang eine sehr gute 2) und „Staatskreditrisiko“ (noch Note 3) – war zum Redaktionsschluss allerdings nur noch eine Frage der Zeit.

Wenn unsere Absicherungsspezialisten das individuelle Risikoprofil des Unternehmens – einschließlich Länderrisiko – festgelegt haben, gehen sie im nächsten Schritt daran, ein tragfähiges Risk Management-Konzept zu entwickeln. Gemeinsam mit dem Kunden wird erarbeitet, wie die individuelle Absicherungskonstruktion aufgebaut sein soll.

Besonderes Augenmerk liegt dabei auf der speziellen Projekt- bzw. Kundenstruktur der abzusichernden Neu- bzw. Bestandsgeschäfte. Alle von uns gestalteten Absicherungskonzepte enthalten zudem diverse zeitliche Puffer, um selbst bei rasanten Veränderungen den bestmöglichen Schutz zu bieten. Gleichzeitig wird das jeweilige Geschäft bei Bedarf in Abstimmung mit der finanzierenden Bank bankable gemacht.

Gegenüber der staatlichen Absicherung, wie z. B. den Hermes-Bund-Deckungen, haben im privaten Markt platzierte Versicherungen vielfältige Vorteile, z. B.

  • mehr Flexibilität,
  • hohe Bedarfskonformität durch individuelles Versicherungswording (keine Schema-F-Deckung),
  • häufig Kosteneinsparung gegenüber Standardprodukten,
  • weniger Ausschlüsse als etwa bei Hermes-Bund,
  • große Auswahl an Absicherungslösungen für Kreditrisiken und politische Risiken am Markt.

Ihr Kundenbetreuer und die Kreditspezialisten der Ecclesia Gruppe unterstützen Sie gerne bei der Absicherung Ihrer Exportgeschäfte.

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