Haftpflicht/Rechtsschutz
So blicken die Versicherer auf PFAS
In Europa sind entsprechende Gerichtsurteile noch neu, da der Nachweis der Kausalität in der Regel nicht möglich ist. Allerdings wird in einem neueren Gerichtsurteil in Schweden aus dem Jahr 2023 die Grenze, was als Personenschaden gilt, niedrig gesetzt (siehe auch "PFAS – was verbirgt sich hinter der Bezeichnung?"). In den USA urteilen Gerichte schon seit längerer Zeit oftmals zugunsten der Kläger. Dort ist der strenge Kausalitätsnachweis nicht unbedingt erforderlich.
Auch der Einsatz von PFAS-haltigen Feuerlöschschäumen wird zunehmend reguliert. Der Stoff PFOS ist bereits verboten, die Ausnahmen zur Verwendung von Feuerlöschschäumen, die PFOA enthalten, laufen in wenigen Wochen aus. Das generelle Verbot der Herstellung und des Inverkehrbringens von PFOA besteht bereits seit dem 4. Juli 2020. Für die vor diesem Zeitpunkt abgefüllten entsprechenden Feuerlöschschäume gilt bislang, dass sie eingesetzt werden dürfen, wenn alle Freisetzungen aufgefangen werden können. Damit ist jetzt Schluss – nach dem 4. Juli 2025 dürfen diese PFOA-haltigen Löschschäume oberhalb eines bestimmten Grenzwertes gar nicht mehr verwendet werden. Wenn Sie weitere Informationen hierzu benötigen, kommen Sie gern auf uns zu.
Aus der Sicht der Risikoträger verschärfen diese grundsätzlichen Entwicklungen rund um PFAS die Versicherbarkeit im Zusammenhang mit der chemischen Stoffgruppe. Dennoch fordern viele Haftpflichtversicherer bislang keine generellen Ausschlüsse der Ewigkeitschemikalien und betrachten häufig den Einzelfall. Aber es gibt auch einige Marktteilnehmer, die bereits einen PFAS-Ausschluss verlangen, oftmals getrieben von Rückversicherern.
Zumindest durch eine Diskussion über den Umfang des Ausschlusses (zum Beispiel auf die USA/Kanada und die dortige Rechtsprechung begrenzt) können mit einem PFAS-Ausschluss konfrontierte Unternehmen noch zu Teildeckungen kommen. Das US-Risiko wird aber immer größer – insbesondere unter Berücksichtigung des ohnehin schwierigen US-Rechtsumfeldes im Hinblick auf beispielsweise Sammelklagen und Nuclear Verdicts (Gerichtsurteile, bei denen Klägern besonders hoher Schadenersatz zugesprochen wird). Allerdings muss insbesondere bei Umweltschäden die Frage gestellt werden, in welchem Umfang Ansprüche aus Kontaminationen, die oftmals über Jahre und Jahrzehnte eingetragen werden, überhaupt unter den bestehenden Policen versichert wären, besonders in den USA.
Eine wachsende Anzahl von Risikoträgern möchte das Risiko nicht mehr in den Büchern haben, auch aus Kumul-Gründen. Ein Kumul liegt im Versicherungswesen vor, wenn ein einziges Schadenereignis dazu führt, dass viele Versicherungsnehmer eines Versicherers gleichzeitig einen Schaden erleiden. Die grundsätzliche Tendenz der Versicherbarkeit von PFAS ist daher eher negativ zu bewerten.
Verstärkt wird diese Entwicklung zusätzlich mit der neuen Klausel des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV). Er informierte in einer Pressemitteilung vom 14. April darüber, dass man die unverbindlichen Musterbedingungen um eine neue Vertragsklausel zu per- und polyfluorierten Alkylsubstanzen (PFAS) erweitert hat (hier gelangen Sie zur Pressemitteilung).
Die Klausel besagt, dass „Ansprüche wegen Schäden, die unmittelbar oder mittelbar auf PFAS zurückzuführen sind, vom Versicherungsschutz ausgeschlossen sind“. Ein Wiedereinschluss wird durch eine (inhaltlich nicht vorgegebene) „fakultative Wiedereinschlussklausel“ ermöglicht. Der GDV teilte weiter mit, dass die neue Vertragsklausel in den unverbindlichen Musterbedingungen bei Bedarf in Betriebs- und Produkthaftpflichtversicherungen sowie Umweltversicherungen ergänzt werden kann. „Inhaltlich ist diese Klausel aus Kunden- und Maklersicht sehr enttäuschend“, bewertet Jörg Linnert, Spartenleiter Haftpflicht-, Unfall- und Rechtsschutzversicherung bei der deas, die Neuentwicklung. „Die Klausel stellt einen faktischen Totalausschluss dar. Zwar gibt es die Option, diesen Ausschluss durch Verhandlungen wieder einzuschränken, jedoch bedarf dies immer der Abstimmung im Einzelfall.“ Hierbei handelt es sich nicht um die für alle Seiten tragfähige Lösung, die laut des GDV angestrebt werden sollte. „Mit der sehr einseitigen Verschiebung des Aufwands und Risikos ignoriert der GDV das Schutzbedürfnis der versicherungsnehmenden Wirtschaft sehr weitgehend und verursacht auf allen Seiten einen enormen Aufwand, der durch die dann anfallenden Einzelverhandlungen zum Wiedereinschluss entsteht“, so der Haftpflichtexperte. Eine umzusetzende Klausel solle gerade nicht pauschal jegliche Ansprüche wegen Schäden, die unmittelbar oder mittelbar auf PFAS zurückzuführen sind, vom Versicherungsschutz ausschließen. Dies sei zu unbestimmt und breit, da PFAS gerade nicht, wie oftmals behauptet, mit Asbest vergleichbar sei, das mit Asbestose auch eine genau nachweisbare Erkrankung nach sich zog. „Das PFAS-Exposure ist zwar nicht wegzudiskutieren, aber aus unserer Sicht für Versicherer auch ohne einen Komplettausschluss beherrschbar.“
Versicherer, die die GDV-Empfehlung ungefiltert aufnehmen und versuchen, den Ausschluss umzusetzen, laufen unseres Erachtens aber Gefahr, Geschäft zu verlieren. „Ein deutlich differenzierteres Herangehen kann den flexibleren Versicherern sicherlich einen Wettbewerbsvorteil bieten“, schätzt Jörg Linnert ein. „Transparenz und gute Argumentation – mit unserer Hilfe – sichern eine zumindest noch eingeschränkte Deckung der PFAS-Risiken. Wir sind trotz der aktuellen Diskussionen noch immer in der Lage, entsprechende Versicherungslösungen mit dem bestmöglichen Schutz für unsere Kunden einzukaufen“, sagt Jörg Linnert.