Transport/Verkehrshaftung

Stau im Suezkanal – Die Havarie-grosse hat Auswirkungen auf den Welthandel

Das Containerschiff „Ever Given“ lag viele Monate im Suezkanal fest und mit ihm Waren im Wert jenseits von 4 Mrd. US-Dollar. Das hat Auswirkungen auf den internationalen Handel und letztendlich auf den Versicherungsschutz.

Das Containerschiff „Ever Given“ der taiwanesischen Reederei „Evergreen Marine“ mit einer Kapazität von 20.000 Containern war auf dem Weg von China nach Rotterdam, als es am 23. März 2021 im Suezkanal auf Grund lief. Dabei drehte sich das rund 400 Meter lange Schiff und blockierte den Kanal. Es folgte der Stillstand auf der wichtigsten Schifffahrtsstraße zwischen Asien und Europa. Der nahezu komplette internationale Handel kam zum Erliegen.

 

Havarie-grosse

Am 1. April 2021 hat der japanische Eigner des Schiffes „Ever Given“, Shoei Kisen Kaisha, die Havarie-grosse (General Average) erklärt. Das Unternehmen Richards Hogg Lindley wurde als Dispacheur bestellt. Dieser kann die Besitzer von auf dem Schiff befindlicher Ladung auffordern, Sicherheiten zu leisten. Die Schäden und Kosten werden dann proportional zu den Beitragswerten von Ladung, Frachtgeld und Schiff aufgeteilt. Die jeweiligen Interesseninhaber müssen die Kosten tragen. Dabei unterstützt der Transportversicherer. Falls keine Transportversicherung besteht, kann der Verkehrshaftungsversicherer Beiträge zur Havarie-grosse im Umfang der Police ersetzen, wenn ein ihm zur Last fallender, weitergehender Schaden droht.

 

Befreiung des Schiffs

Sechs Tage nach der Havarie konnte die „Ever Given“ von Baggern sowie Schleppern wieder freigelegt und fahrtauglich gemacht werden. Etwa 370 Schiffe warteten bereits auf eine Durchfahrt durch den Kanal. Andere Schiffe nahmen Umwege in Kauf. Das hatte eine verspätete Ankunft in den Zielhäfen zur Folge und somit auch drastische Konsequenzen für Produzenten, Handel, Logistiker, Hafenbetreiber und auch Versicherer.

 

Ägyptische Behörden beschlagnahmen die „Ever Given“

Eigentlich hätte die „Ever Given“ nach der Bergung weiterfahren können, allerdings beschlagnahmten die ägyptischen Behörden das havarierte Schiff und setzen es im Großen Bittersee samt der auf dem Schiff befindlichen Ladung und Crew fest. Es sollte zunächst geklärt werden, wer für den entstandenen Schaden aufkommt. Drei Monate wurde vor Gericht über den Fall gestritten, dabei ging es nicht um die Ursache des Unfalls, sondern um die zu zahlende Schadenersatzsumme. Die japanische Inhaberfirma Shoei Kisen Kaisha hatte bereits als Kompensation für die Schäden 150 Millionen Dollar geboten. Durch die Festsetzung waren alle Wareninteressenten mit ihren Gütern auch an den Fall gebunden.

 

Es kommt zur Einigung

Am 24. Juni gab der Eigner des Schiffes bekannt, dass eine Einigung mit der ägyptischen Kanalbehörde über eine Entschädigungszahlung erzielt worden sei. Über die Höhe der Summe ist allerdings nichts bekannt. Die Suez Canal Authority (SCA) hat als Schadensersatz für die Kanalblockade und die Bergung ursprünglich 916 Millionen Dollar gefordert und später die Summe auf 550 Millionen Dollar reduziert. Der Schiffseigner und seine Versicherer haben der Forderung widersprochen, denn sie sehen den Fehler für den Unfall bei der Behörde. Diese hätte die Durchfahrt durch den Kanal nicht erlauben dürfen. Expertinnen und Experten gehen davon aus, dass starker Wind gegen die Container an Bord drückte und der Kapitän dadurch die Kontrolle verlor.

 

Störung des weltweiten Handels

Am 7. Juli durfte das Containerschiff samt Besatzung und Güter schlussendlich weiterfahren. Die Auswirkungen der in der Folge der Havarie entstandenen Verzögerungen sind bereits deutlich zu spüren. So kann beispielsweise bereits beworbene Aktionsware nicht angeboten werden. Dies macht die Vernetzung der globalen Wirtschaft deutlich und zeigt, welche Auswirkungen dies für lokale Anbieter hat.

 

Havarie und trotzdem gut geschützt

Aber was bedeutet die Havarie für den Versicherungsschutz? Entscheidend ist, ob Ware auf dem betroffenen Schiff, in diesem Fall der „Ever Given“, oder auf einem anderen, durch den Unfall blockierten Frachter transportiert wird. Zu unterscheiden sind in diesem Fall auch zwei verschiedene Versicherungen: zum einen die Warentransportversicherung, zum anderen die Verkehrshaftungsversicherung. Inwieweit die Verkehrshaftungsversicherung greift, ist noch unklar. Zwar fuhr das Schiff am 7. Juli weiter, aber es war bislang noch kein Zielhafen bekannt. Welche Schäden letztendlich auf die Inhaber der Waren zukommen, kann daher erst geklärt werden, wenn die Ladung gelöscht und geprüft wurde.

 

Warentransportversicherung

„In unseren Versicherungslösungen sind unter anderem direkte Schäden an der Ware durch das Auflaufen auf die Sandbank mitversichert, auch Havarie-grosse-Einschüsse sind abgedeckt“, sagt Rudolf Christian Eder, Leiter des Fachbereiches Transportversicherung der SCHUNCK GROUP, einem Schwesterunternehmen der deas. Im Fall einer Havarie-grosse kann die Reederei ihr Pfandrecht für die unversehrte Ware ausüben. Dann stellt der Transportversicherer einen General Average Bond beziehungsweise eine General Average Guarantee als Garantie der Übernahme der Einschlüsse zur Havarie-grosse aus, damit die Kunden ihre Ware erhalten. Weiterhin sind im Versicherungsschutz Spezialfälle wie die Verzögerung der Reise, Umladekosten im Schadenfall oder auch Vermögensschäden enthalten.

„Entstandene Vermögensschäden durch verspätete Anlieferungen können derzeit nicht abschließend beurteilt werden. Diese sind in unseren Policen regelmäßig eingeschlossen, sofern ein am Transport beteiligter Verkehrsträger nach deutschem Recht zu haften hätte. Wir prüfen jeden Einzelfall genau.“, so der Transportversicherungsexperte Rudolf Christian Eder.

 

Stau vor Südchina – Wieder geraten internationale Lieferketten ins Wanken

Am 21. Juni 2021 berichtete die Tagesschau, dass sich im viertgrößten Hafen der Welt Shenzhen-Yantian die Containerschiffe stauen. Diesmal war es keine Havarie, der Grund war ein COVID-19-Ausbruch. Die chinesischen Behörden hatten teilweise eine Schließung des Hafens angeordnet. In dieser Zeit konnten die Schiffe weder an- noch ablegen, dadurch wurden die weltweiten Lieferketten erneut gestört. In dem Bericht der Tagesschau wird Vincent Clerc, Manager der dänischen Reederei Maersk, zitiert. Er sagt in einem Gespräch, dass der Stau schlimmer sei als die Blockade des Suezkanals. Vermutlich könnte der internationale Warenverkehr bis Ende des Jahres beeinträchtigt sein. Die Empfängerinnen und Empfänger der Waren in Europa und Amerika müssen also auf ihre Produkte warten. Besonders betroffen ist die Tech- und Elektronikbranche, denn etwa 90 Prozent aller Elektronikexporte aus China werden über den Hafen von Shenzhen-Yantian abgewickelt.

 

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